Dienststellenbesuche der SPD-Abgeordneten belegen Vernachlässigung der Polizei durch die Landesregierung

Bereits die Ankündigung der Polizeiaktion habe die Regierung in große Unruhe versetzt und zum Kurswechsel bewogen. "Mit dem Nachtragshaushalt und dem so genannten Sicherheitspaket hat sie versucht, die verfahrene Lage zu retten. Das ist ihr jedoch nicht gelungen, weil sich das Sicherheitspaket binnen Stunden als völlige Mogelpackung herausgestellt hat."

"Wir danken den hessischen Polizistinnen und Polizisten sowie ihren Verwaltungskolleginnen und -kollegen, dass sie trotz dieser widrigen Umstände mit so viel Einsatz ihre Aufgaben erledigen. Dies haben wir auch bei den Besuchen vor Ort betont", sagten die Abgeordneten

Bei den Dienststellenbesuchen hat sich nach Ansicht von Schaub und Rudolph gezeigt, dass der Hessische Innenminister in den fast drei Jahren seiner Regierungsverantwortung in erster Linie viel über Innere Sicherheit geredet hat, um all die Ängste, die er in der Oppositionszeit geschürt hatte, wieder zu beruhigen. Getan habe er für die Öffentliche Sicherheit dagegen wenig. "Er ist als Tiger gesprungen – dabei über die Mafia-Katze gestolpert – und schließlich als Bettvorleger gelandet", so die Abgeordneten.

Die Besuche in den Revieren und Polizeistationen vor Ort hätten belegt, dass die dringlichsten Probleme im Personalbereich liegen. Vakante Stellen von Polizeibeamten werden nicht wieder besetzt, Polizeibeamte müssen Tätigkeiten im Innendienst wahrnehmen, die von Angestellten ausgeführt werden könnten, und werden zusätzlich durch die Einführung neuer EDV und SAP von ihren eigentlichen Aufgaben abgezogen, weil die Landesregierung hierfür kein Personal zur Verfügung stellt. Zudem wurde in der Polizeiverwaltung bei Angestellten und Beamten erheblich Personal eingespart.

"Das Wahlversprechen, im Polizeibereich keine Personaleinsparungen vorzunehmen, wurde gebrochen. Inzwischen fehlen in Hessen rund 1000 Polizistinnen und Polizisten. Diese Zahl ergibt sich aus rund 700 nicht besetzten Vollzugsstellen und daraus, dass viele Polizeibeamtinnen und -beamte Lücken füllen müssen, die durch Einsparungen im Verwaltungsbereich entstanden sind."

Seit dem 1. November ist erstmals die Situation eingetreten, dass Vollzugsstellen im Einzeldienst nicht mehr besetzt werden können. Ein sogenanntes "Fehlstellenmanagement" führt dazu, dass 1,5 Prozent aller Vollzugsstellen effektiv weg fallen – allein in Frankfurt sind dies nach Berechnungen der GdP 47 Stellen.

Die so genannte Polizeireform habe keine Linderung gebracht. Die vollmundig von Bouffier angekündigte personelle Verstärkung ist vor Ort nicht angekommen. "Vielmehr entpuppt sich die Polizeireform auch in diesem Punkt eher als buchhalterischer Taschenspielertrick", so Schaub und Rudolph. Nominell gab es zwar z.T. eine Verstärkung, aber zum Dienst ließen sich die abgeordneten, erkrankten oder auf Lehrgang befindlichen Beamten nicht einteilen, so dass sie lediglich als "Karteileichen" mehr dem Image des Ministers dienten als zur Verstärkung der Öffentlichen Sicherheit.

"Die Personalsorgen bei der Polizei müssen jetzt mit Kreativität und Engagement gelöst werden. Dies ist keine Frage der Vergangenheitsbewältigung, zu der sie die Landesregierung machen will, sondern eine Frage der Zukunftsbewältigung. Die Einstellung von zusätzlichen Wachpolizisten reicht nicht. Wir verlangen, dass schnellstens mindestens 600 Stellen zumindest vorübergehend mit Angestellten oder Verwaltungsbeamtinnen und -beamten besetzt werden, um die Vollzugspolizei von Verwaltungsaufgaben zu entlasten und für ihre originäre Arbeit freizustellen." Bleibe die Landesregierung bei ihrem bisherigen Schneckentempo bei der Stellenbesetzung würden nach Berechnungen der GdP frühestens 2007 alle Vollzugsstellen wieder besetzt sein können.

Bestätigt habe sich auch, dass Innenminister Bouffier in den nahezu drei Jahren seiner Amtszeit keine müde Mark zusätzlich in den Fuhrpark der Polizei investiert habe, so dass inzwischen 50 Prozent der Polizeifahrzeuge (1.500) stark überaltert sind und ausgetauscht werden müssen. In Hanau hat dies beispielsweise zur Folge, dass sogar zwei Drittel der Einsatzfahrzeuge betroffen sind. "Die Ankündigung, im kommenden Jahr die Hälfte der Fahrzeuge auszutauschen, ist nichts anders als das Eingeständnis der bisherigen Untätigkeit."

So habe Innenminister Bouffier bei einem unstreitigen Investitionsbedarf von ca. 65 Mio. DM lediglich 563.700,- DM für den Erwerb und 6,728 Mio. DM für das Leasing von Kraftfahrzeugen der Polizei in Haushaltsentwurf 2001 eingestellt. "Wenn sich nun der Innenminister hinstellt und lauthals Abhilfe verspricht, so ist dies nicht zuletzt auch ein Ergebnis der Oppositionsarbeit der SPD und unserer Polizeiaktion."

Außerdem hätten die Informationsbesuche gezeigt, dass die geplante Reduzierung der Kfz-Werkstätten bei der Polizei gerade nach Einschätzung der Bediensteten vor Ort zu großen Reibungsverlusten führen werde. Die Verringerung von 40 auf nur noch sieben zentrale Werkstätten bindet nach Ansicht der Fachleute Personal, kostet Zeit und beeinträchtigt damit die Einsatzbereitschaft vor Ort.

Ebenso wird die Einsatzbereitschaft durch die zahlreichen Überstunden geschmälert, die bereits vor dem 11. September und danach noch verstärkt angefallen sind. Landesweit sind nach Schätzungen der GdP etwa 450.000 Überstunden aufgelaufen. Im Einzelnen bedeutet dies mitunter 200 bis 400 Überstunden pro Polizeibedienstetem, deren auch nur anteiliger Ausgleich durch Freizeit kaum möglich erscheint, weil die Personaldecke vor Ort dies nicht zulässt.

Hier habe die Polizeiaktion der SPD-Fraktion ebenfalls nicht nur zu einer Sensibilisierung der Öffentlichkeit geführt, sondern auch die Landesregierung veranlasst, die Mittel für den finanziellen Ausgleich dieser Mehrarbeit zu erhöhen. Wenn auch die zusätzlichen 5 Mio. DM letztlich nur als Tropfen auf den heißen Stein erscheinen. "Wir erwarten von der Landesregierung ein Angebot an alle Polizeibeamtinnen und -beamten, dass sie wählen können zwischen Freizeitausgleich – der auf absehbare Zeit allerdings nicht zu erwarten ist – und einer Bezahlung der Überstunden."

Nach wie vor unbefriedigend ist die räumliche und technische Ausstattung der Polizei. So haben die Informationsbesuche ergeben, dass in großem Umfang private PCs von den Bediensteten eingesetzt werden und die bauliche Unterbringung ungenügend ist. "Die Innere Sicherheit ist kein Schwerpunkt der Landesregierung, sondern ein Schwachpunkt. Sie versucht mit symbolischer Politik über die Runden zu kommen, aber das reicht nicht angesichts der massiven Probleme beim Personal, bei Ausstattung und Unterbringung."