Fuhrmann: Frauenförderung droht die völlige Bedeutungslosigkeit

Erst verstößt die Landesregierung mit dem sogenannten "Beschleunigungsgesetz" offen gegen das Gleichbehandlungsgebot, jetzt kramt die neue Frauenministerin auch noch die von ihrer Vorgängerin – zumindest nach außen hin – ad acta gelegte "Experimentierklausel" aus der Schublade, und preist diese als Fortschritt für die Frauenförderung.

Soll das die lange angekündigte und unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgebrüte-te Novellierung des HGlG sein? – im Sinne der "Modernisierung und Effektivierung" des Gesetzes? Der Frauenförderung in Hessen droht die völlige Bedeutungslosigkeit.

Wofür Frauen in Hessen jahrelang gestritten und gekämpft haben, ein Gleichstel-lungsgesetz, dass es ermöglicht, Frauenförderung mit dem nötigen Nachdruck auch umzusetzen, wird Schritt für Schritt seiner Kernelemente beraubt. Das Gesetz wird damit zusehens in einen zahnlosen Tiger verwandelt. Was Sie juristisch mit ihrer Klage nicht geschafft haben, erfolgt jetzt auf dem "kalten Wege".

Erste Zähne wurden dem HGlG von dieser Landesregierung mit dem "Entschei-dungsbeschleunigungsgesetz" 1999 gezogen:
-keine Frauenbeauftragten mehr in Dienststellen mit weniger als 50 Beschäftigten,
-geringere Arbeitskapazitäten der Frauenbeauftragten, weil sie weniger von ande-ren Dienstaufgaben freigestellt werden können.
-keine Ausschreibungen mehr in nach- und übergeordneten Behörden und
-der Verzicht darauf, dass die Frauenförderpläne der Ministerien und der Staats-kanzlei im Benehmen mit dem Sozialministerium zu erstellen sind.

Meine Befürchtungen, die ich bei Verabschiedung des sog. Entscheidungsbeschleu-nigungsgesetzes hier im Plenum geäußert hatte, haben sich inzwischen sämtlich bewahrheitet. Nachdem die ersten 6 Jahre Geltung des Gesetzes vorüber waren, schien 1999 mit der Neu-Aufstellung von Förderplänen und dem Ende der Amtszeit der Frauenbeauftragten der Zeitpunkt gekommen, die Frauenförderung auf Spar-flamme herunterzufahren, anstatt das Gesetz zeitgemäß weiterzuentwickeln! Die Einschränkungen des Gesetzes werden in der Praxis dazu genutzt, das HGlG völlig zu negieren!

Mehrere Landesbehörden verfügen offenbar bis heute über keine oder nur mangel-hafte Frauenförderpläne. Mehrere Ministerien, die keine oder nur rechtswidrige Frau-enförderpläne aufgestellt haben, sollen ihre Aufsichtspflicht über nachgeordnete Be-hörden in punkto Förderpläne nicht wahrnehmen. Viele kompetente und streitbare Frauenbeauftragte der ersten Generation wurden abgelöst und neue Beauftragte teilweise gegen den Widerstand der weiblichen Belegschaft eingesetzt.

Die Aushöhlung des Widerspruchsrechts der Frauenbeauftragten hat zudem dazu geführt, dass Frauenbeauftragte keine Möglichkeit mehr haben, darauf einzuwirken, dass gesetzeskonforme Förderpläne aufgestellt werden. Was die Landesregierung "beschleunigen" wollte, war klar. Die Korrosion des HGlG!

Es ist ein Skandal erster Güte, dass die Landesregierung das Kernstück der hessi-schen Frauenpolitik und einen Meilenstein der Frauenförderung in Deutschland be-wusst missachtet und alles daran setzt, das Erreichte rückgängig zu machen oder zu untergraben.

Ich möchte hier nur zwei Beispiele anführen: Das Hessische Sozialministerium, das zwar über einen korrekten Frauenförderplan verfügt, denkt offenbar nicht daran, sich auch an diesen zu halten. Hätte sich das Ministerium an seinen eigenen Plan und das Gesetz gehalten, dann hätte die (über ein Jahr vakante) Stelle des Abteilungslei-ters Arbeit und Soziales mit einer Abteilungsleiterin besetzt werden müssen. Es gab qualifizierte Bewerbungen – besetzt wurde es mit einem Mann. Damit nicht genug. Auch sein Nachfolger als Leiter der Zentralabteilung wurde unter Missachtung der gesetzlichen Vorgaben – ohne Berücksichtigung des Frauenförderplans und auch noch ohne öffentliche Ausschreibung – wieder ein Mann!

Sie verhalten sich – wie in anderen Politikbereichen auch – nicht gesetzestreu, um es "verhalten" auszudrücken. Und das ist ein Skandal! Frau Ministerin, auf dem Kon-gress "Frauen-Macht-Karriere" in Frankfurt Mitte Oktober beklagten Sie, dass die Führungsetagen der hessischen Unternehmen noch immer von Männern besetzt werden, eine richtige Erkenntnis – Gratulation! Was aber tun Sie in Sachen Frauen-förderung?

Der Glaubwürdigkeit einer solchen Erkenntnis würde es dienen, wenn eben nicht nur eine von 8 Abteilungsleitungsstellen von einer Frau besetzt wäre, wenn das Frauen-ministerium sich an seinen selbst aufgestellten Frauenförderplan hielte, wenn eben nicht gerade die Stelle der Frauenabteilungsleitung als "künftig wegfallend" im Stel-lenplan stünde, wenn eben nicht der Erziehungsurlaub von Mitarbeiterinnen des Sozialministeriums dazu genutzt würde, krasse Personaleinsparungen vorzunehmen, z. B. die Abteilung Frauenpolitik völlig auszubluten, und so das "freudige Ereignis" zum "freudigen Ereignis" für Personalchef und Haushälter gemacht würde. Das wäre wahrlich glaubwürdiger!