Die heute von Kultusministerin Wolff vorgelegte Novelle zum Schulgesetz bezeichnete der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Dörr als "konsequente Fortschreibung des Schulgesetzes in die falsche Richtung". Die Wiedereinführung der Schule der fünfziger Jahre sei die falsche Antwort auf die berechtigten Fragen nach der guten modernen Schule.
"Das aber ist, leider, der Weg, auf den sich diese Koalition in Hessen gemacht hat.", erklärte Dörr.
Statt uneingeschränkter Bildungsbeteiligung gehe es der Ministerin um die rasche Einteilung der Kinder in Leistungsschubladen. Integration werde durch das Abschotten der verschiedenen Bildungsgänge ersetzt. Statt zu lernen, wie man lernt, werde zukünftig auswendig gelernt, bemerkte Dörr.
Während die SPD seit Jahren deutlich gemacht habe, dass die Zeit des Streits um Schulorganisationsformen vorbei sei, betreibe die CDU und mit ihr offenbar auch die FDP, diesen "Schulkampf" weiter, sagte der Abgeordnete. Die Landesregierung unternehme alles, um die Förderstufe auch dort zu zerstören, wo sie seit Jahrzehnten gut eingeführt und allseits akzeptiert sei. So sollen die Schulträger im Gesetz (§ 145) verpflichtet werden, flächendeckend schulformbezogene 5. und 6. Klassen einzurichten. Das vom Schulträger einzurichtende Angebot an Schulen muss also prinzipiell nach den Bildungsgängen des gegliederten Schulwesens organisiert sein.
Da in der Praxis bisher niemand gefordert habe, dass Haupt- oder Realschulklassen aus den Förderstufen ausgelagert werden sollten, beträfe dies meist die Bildung von Gymnasialklassen. Zwar begrüße der Philologenverband in seiner Stellungnahme, dass das Gesetz den Schulträger verpflichte, schulformbezogene Bildungsangebote in den Jahrgangsstufen 5 und 6 zu ermöglichen und die freie Schulwahl zu gewährleisten, allerdings gewährleiste niemand die freie Schulwahl für diejenigen Eltern, die für ihre Kinder eine Förderstufe wollten, kritisierte Dörr.
"Das vorgelegte Gesetz ist nichts anderes als die Gegner integrativer und kooperativer Schulformen zur Erzwingung des alten dreigliedrigen Systems zu munitionieren!", erklärte Dörr in der Landtagsdebatte.
Außerdem kritisierte Dörr, dass auf Förderung der muttersprachlichen Kenntnisse ausländischer Kinder verzichtet werde und diese wegen mangelnder Sprachkenntnisse gleichzeitig vom Schulunterricht ausgeschlossen würden. Die noch dazu im Gesetz festgehaltene "eigene Pflicht, sich um den Erwerb hinreichender Sprachkenntnisse zu bemühen" definiere alles andere als den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule.
Die Stellungnahme der Hans-Böckler-Stiftung kritisiere diese Regelung deshalb zurecht: "Die ‚Lösung", die mit der Gesetzesänderung skizziert ist, geht davon aus, den Erwerb der Deutschkenntnisse vor Schuleintritt zu einer Bringschuld, zu einer Privatangelegenheit der Eltern erklären zu können. Wo sollen Fünfjährige die Deutsche Sprache lernen? Wo sollen die Eltern, selbst oft Benachteiligte, das Geld dazu herbekommen?", fragte Dörr. Die Zurückstellung der Kinder um ein Jahr werde zu Integrationsproblemen führen, die wiederum zu mangelndem Selbstwertgefühl und in der Folge zu Lernstörungen führen könnten, fürchtet Dörr. Gerade die Ganztagsschule böte aber die Möglichkeit viele bisher wenig genutzte Unterstützungen zu leisten, die diesen Kindern beim Spracherwerb besser helfen könnten.