Bökel: Terror bekämpfen, den inneren Frieden bewahren

"Die Terroranschläge von New York und Washington waren kühl kalkulierte Massenmorde. Sie waren offensichtlich berechnet – von der riesigen Zahl der Toten bis hin zur Entwicklung der Börsenkurse. Die Terroristen haben dafür Mittel gewählt, die ohne historisches Vorbild und in ihrer Heimtücke einzigartig sind.

Aber die Terroristen haben die westliche Welt und weit darüber hinaus nicht gespalten. Sie haben sie geeint. Geeint in der Trauer und geeint in der Entschlossenheit, dieses große Leid nicht tatenlos hinzunehmen.

Die Anteilnahme der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land ist ehrlich und kommt von Herzen. Die viel beschworene deutsch-amerikanische Freundschaft hat in vielen spontanen Gesten der Trauer und des Beistands ihren Ausdruck gefunden.

Wir alle, die Vereinigten Staaten, aber auch gerade wir in Europa, stehen vor einer großen, neuen Herausforderung. Skrupellose Terroristen missbrauchen Religionen und Kulturen. Gegen diese Angriffe müssen sich Staat und Gesellschaft entschieden wehren. Im Bereich des Terrors darf die Staatengemeinschaft keine Schwächen zeigen.

Solange der Arm des Gesetzes die Täter nicht erreicht, weil sie unter Schutz eines Regimes stehen, oder sich auf anderer Art und Weise dem Zugriff entziehen, so lange ist auch eine militärische Lösung gerechtfertigt. So schwer das auch jedem von uns fallen mag.

Dabei werden die Verantwortlichen zu beachten haben, dass durch einen militärischen Angriff, der auch eine Zivilbevölkerung betrifft, die militanten Islamisten nicht noch Zulauf erhalten. Aber klar ist auch, Zaghaftigkeit und Unsicherheit werden den Herausforderungen nicht gerecht.

Es ist die Stärke der westlich geprägten Demokratien, dass sie Unrecht nicht mit Unrecht bekämpft. Dass ihre Reaktionen verhältnismäßig sind und nicht die Spirale der Gewalt ankurbeln. Uns muss aber auch klar sein: Massenarmut und Unbildung können der Nährboden für Fanatismus sein – vor allem dann, wenn religiöse Rechtfertigungen hinzukommen. Deswegen sind militärische Aktionen allein nicht ausreichend.

Wir müssen heute schon an die Entspannung denken, die auf den Konflikt folgen muss, denn nicht Krieg wird Konflikte beilegen, sondern Politik der Annäherung. Wo stünden wir heute ohne die Westintegration durch Adenauer, Schumann und de Gasperi und ohne die Entspannungspolitik von Brandt bis Gorbatschow, die Ost und West versöhnt haben? Noch vor wenigen Jahren hätte der Ostblock in einer vergleichbaren Situation keine Überflugrechte für US-Flugzeuge erteilt, sondern wahrscheinlich seine Atomwaffen scharf gemacht.

Als Landespolitiker stellt uns der Terror vor andere Herausforderungen: Wir müssen den inneren Frieden bewahren.

Die Achtung der Menschenwürde, unsere freiheitliche Demokratie, unsere Offenheit und Toleranz gegenüber Menschen anderer Kulturen und Religionen: Das sind die Stärken unseres Landes.

Es muss aber auch klar sein, dass diejenigen, die in unserem Land leben, – unabhängig von ihrer Herkunft und Religion – die Maßstäbe und Grundwerte zu akzeptieren haben, Missbrauch kann nicht geduldet werden.

Auch die Muslime hier in Deutschland lehnen den Terror ab. Sie sind nicht mitschuldig, sie dürfen nicht in Mithaftung genommen werden für Verbrechen anderer. Aber wir müssen uns um sie kümmern, wir müssen Beziehungen aufbauen und pflegen, die inniger und stabiler sind als heute. Ausgrenzung ist kein Rezept. An unsere muslimischen Mitbürger geht der Appell allerdings genauso: Grenzen Sie sich nicht ab! Pflegen Sie ihre Kultur, aber seien sie auch offen für unsere Gesellschaft.

Wir diskutieren über Gesetzesänderungen. Hier gilt: Das Notwendige muss geschehen und das Bundeskabinett hat dies auf den Weg gebracht. Lediglich symbolische Gesetzesänderungen wären nicht angebracht und nicht hilfreich. Und schon gar nicht darf eine möglicherweise unzureichende Ausschöpfung vorhandener gesetzlicher Möglichkeiten zu Gesetzesänderungen führen.

Lassen Sie mich angesichts der Anwesenheit amerikanischer Repräsentanten festhalten: Nur wenn wir uns als Partner bewähren, können wir uns darauf verlassen, dass wir hilfreiche Partner haben, wenn wir in Not geraten. Dabei heißt Solidarität nicht bedingungslose Gefolgschaft, sondern Beistand.

Und diese Form von Solidarität ist die beste Basis für den Frieden."