Bökel: Regierung hat keine Vorsorge für Haushaltsrisiken getroffen – Nachtragshaushalt wegen 250-Millionen-Loch gefordert

Der SPD-Fraktionsvorsitzende erinnerte daran dass der Finanzminister noch am 30. Mai 2001 im Haushaltsausschuss keinen Handlungsbedarf gesehen habe und die CDU im Juni die Haushaltslage noch bejubelt habe.

Kurz nach diesem Jubel sei dann plötzlich ein 250-Millionen-Loch entdeckt worden. Inzwischen gebe es noch weitere Haushaltsrisiken, nämlich ein Haushaltsfehlbetrag aus den Forstbetrieben und die Rückforderungen wegen der Kostenerstattung für Asylbewerber an die Kommunen. Alle drei Haushaltsrisiken zusammen könnten sich auf einen Fehlbetrag von 400 Millionen DM addieren.

Bökel forderte von der Landesregierung einen Nachtragshaushalt, weil angesichts diese Beträge das Selbstverständnis des Parlaments als Haushaltsgesetzgeber be-rührt sei. "Einsparungen in diesen Dimensionen können nicht allein die Ministerien im Vollzug bestimmen."

Zum Hintergrund der Steuermindereinnahmen sagte Bökel: "Alle wollten die Steuerreform, also die Entlastung der Bürger und der Unternehmen. Und das bedeutet: Weniger Einnahmen für das Land. Natürlich steckt hinter jeder kräftigen Abgabenentlastung die Hoffnung, dass die Bürger zu höherem Konsum und die Unternehmer zum stärkeren Investieren animiert werden – und dies mit dem Ziel, dass dann die Einnahmeausfälle für den Staat weniger schmerzhaft ausfallen. Die Erfahrungen auch anderer Volkswirtschaften zeigen aber, dass diese Effekte nicht von heute auf morgen eintreten."

Deshalb hätte im Landeshaushalt Vorsorge getroffen werden müssen. Bökel: "Die Möglichkeiten dazu hatte diese Regierung. Trotz der enormen Belastungen durch den Länderfinanzausgleich hatte die Regierung Koch deutlich mehr Geld zur Verfügung als jede Regierung zuvor. Die Regierung Koch hatte im Jahr 2000 1,6 Milliar-den DM mehr in der Staatskasse als die Regierung Eichel im letzten kompletten Regierungsjahr 1998 – und dies alles nach Länderfinanzausgleich."

"Ein Nachtragshaushalt muss her. Dabei geht es nicht nur um die – aus Ihrer Sicht vielleicht etwas störrische Opposition – es geht auch nicht nur um unsere verfas-sungsmäßigen Rechte und Pflichten als Parlamentarier und Gesetzgeber. Es geht auch darum, dass die Empfänger staatlicher Leistungen von der Sozial- bis zur Kul-turpolitik wissen müssen, ob und wie viel bei ihnen gekürzt wird.

Als Beispiel führte Bökel die Sozialpolitik an. Was bedeute es, wenn im Steinbruch der Sozialministerin weitere 28 Millionen DM eingespart werden sollten? Was bedeu-te das für Behinderte, für die Alten?

"Und wir wollen hier im Parlament entschieden haben, wo die Kürzungen im Um-weltministerium konkret erfolgen. Es geht um 35 Millionen DM. Ist die Mitfinanzierung von Programmen der Europäischen Union betroffen? Geht also noch anderes Geld verloren? Das kann und darf nicht in den Amtsstuben entschieden werden: Das ge-hört hier ins Parlament. Wir wollen beispielsweise auch wissen, wo der Justizminister die 21 Millionen DM hernehmen soll, die er einsparen muss. Es ist doch alles heiße Luft, wenn die Regierung sich des härtesten Strafvollzugs rühmt, aber nicht dafür sorgt, dass es genügend Haftplätze gibt. Beim Justizetat möchten wir auch gleich mitentschieden haben, dass für die Wirtschaftsstrafkammern in diesem Land genügend Richter zur Verfügung gestellt werden. Die kleinen Sünder unnachgiebig zu verfolgen und die großen laufen zu lassen oder erst dann vor Gericht zu stellen, wenn sie das Altenteil erreicht haben, das ist genau das Gegenteil dessen, was wir unter aktiver Bekämpfung von Kriminalität verstehen."

Das Parlament habe auch das Recht zu erfahren, ob die Regierung den Verkauf von staatlichen Beteiligungen plane, um die Löcher im Haushalt zu stopfen.

Angesichts der hausgemachten Probleme im laufenden Haushalt sei es völlig unver-ständlich, dass der Ministerpräsident sich in diesen Tagen öffentlich für ein Vorziehen der nächsten Stufe der Steuerreform ausgesprochen habe.

Bökel: "Auf die Frage, ob Hessen bereit sei, auf die entsprechenden Einnahmen bei der Steuerreform zu verzichten sagte Herr Koch klar: Ja. Nun stellen wir uns einmal vor es käme wirklich dazu. Das würde für Hessen einen rechnerischen Einnahmeverlust von 880 Millionen DM bedeuten. Die größere der Regierungsparteien in Hessen fordert höhere Steuerentlastungen und in der Konsequenz noch größere Einnahmeverluste. Aber so ist das bei Ihnen nun einmal: Da blasen Sie etwas raus, in der Hoffnung, dass es nicht umgesetzt wird. Das passt in das Bild: Sprüche klopfen, die Themen verfehlen, kurzum: regierungsunfähig."