"Seit Amtsantritt von Volker Bouffier schweigt der Verfassungsschutz. Seit zwei Jahren gibt es gegenüber der Öffentlichkeit keinen fundierten Lagebericht über die ext-remistischen Bestrebungen in unserem Land. Beim Rechtsextremismus wird der Ver-fassungsschutz der Verharmlosungsstrategie von Roland Koch untergeordnet, bei Links- und Ausländerextremismus herrscht Fehlanzeige", kritisierte Schaub.
Insbesondere wegen der ernst zu nehmenden Tendenzen im Bereich des Rechtsextremismus müsse der Verfassungsschutz in der Wahrnehmung seiner zentralen Aufgaben gestärkt werden. "Die Zahl der rechtsextremen Gewalttaten ist bundesweit im Jahr 2000 um 33,8 Prozent gestiegen, die Zahl der Straftaten insgesamt um 58,9 Prozent – eine Reaktion des hessischen Verfassungsschutzes ist nicht bekannt ge-worden. Die wichtige Debatte über die Intellektualisierungs-Offensive der Rechtsextremen, die versuchen, in gut ausgebildeten Kreisen Fuß zu fassen, um hoffähig zu werden, findet in Hessen nicht statt. Die Beobachtung der Republikaner fristet ebenso ein Schattendasein wie die Recherche im Internet oder die Eindämmung rechter Jugendcliquen. Der Vorstoß zur besseren Bekämpfung rassistischer, gewaltverherrlichender Skindheadmusik kam nicht von der Landesregierung oder vom Landesamt für Verfassungsschutz, sondern von der SPD-Opposition. Innenminister Bouffier verantwortet erhebliche Sicherheitslücken im Bereich der Extremismusbekämpfung", sagte Schaub.
Ein Aussteigerprogramm des Verfassungsschutzes für Rechtsextremisten, wie von der SPD bereits vor Monaten gefordert und danach von der Landesregierung angekündigt, sei noch immer nicht aufgelegt worden.
Seinem Aufklärungsauftrag über extremistische Bestrebungen komme das Landesamt nicht ausreichend nach. "Der Ankündigung Transparenz und Öffentlichkeits-arbeit des Verfassungsschutzes zu verbessern, folgte keine einzige Maßnahme. Der großspurig angekündigte Verfassungsschutzbericht ist seit eineinhalb Jahren überfällig – dafür werden aber die aktuellen Kurzlageberichte nicht mehr erstellt ", kritisierte der Parlamentarische Geschäftsführer.
Das beim Innenministerium zu bestellende Infomaterial über PKK, islamischen Fundamentalismus, neue Rechte oder Autonome stamme aus der vorhergehenden Legislaturperiode. Die gemeinsam mit den Schulen konzipierte Ausstellung "Demokratie, was sonst?" sei nicht weitergeführt worden und das als öffentliche Veranstaltungsreihe entwickelte "Herbstgespräch" finde inzwischen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. "Trotz der Stelleneinsparungen beim Verfassungsschutz in der Vergangenheit – die Resultat eines ungeliebten Koalitionskompromisses waren – sind damals Weichen neu gestellt und das Konzept "Verfassungsschutz durch Aufklärung" entwickelt worden. Heute unterliegt das Amt der politischen Missachtung durch den Minister und fristet ein Schattendasein."
Antworten vom Chef des Landesamtes für Verfassungsschutz auf aktuelle Fragen gebe es nicht. "Was ist mit der Unterwanderung der Burschenschaften durch Rechtsextremisten? Wie geht Minister Bouffier gegen die Skindheadszene vor seiner Haustür in Mittelhessen vor? Welche Ergebnisse hat die Beobachtung von Scientology gebracht? Diese unbeantworteten Fragen sind Ausdruck der bereits kritisierten Sicherheitslücken."
Die Gesetzesinitiative zur Erweiterung der Zuständigkeit des Verfassungsschutzes auf die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität diene einzig dazu, das eindeutige Versagen des Innenministers in der Extremismusbekämpfung zu kaschieren. Schaub: "Minister Bouffier steht bei der Feierstunde zum 50jährigen Bestehen des Landesamts mit leeren Händen da. Deshalb hat er wenige Tage zuvor den seit weit über einem Jahr mit reichlich vorlautem Eigenlob angekündigten Gesetzentwurf als Eilausfertigung eingebracht."
"Angesichts der bestehenden Defizite und Sicherheitslücken ist die Erweiterung der Aufgaben für das Landesamt grotesk. Die Ankündigung von gerade einmal fünf oder sechs neuen Stellen bestätigt, dass es der Landesregierung mit ihrem Gesetz überhaupt nicht ernst ist. Innenminister Bouffier redet von Sicherheitsarchitektur, aber er beschäftigt sich mit Fassadenmalerei, ohne zu merken, dass das Fundament brüchig ist und die Wände wackeln", kritisierte der Sozialdemokrat. "Wer wie Bouffier 1000 unbesetzte Polizeistellen verantwortet, zeigt mehr Desinteresse an der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität als jeder Gesetzentwurf ausgleichen könnte. Bouffiers Sicherheitspolitik folgt seit eh und je dem Motto: Kost" nix, nutzt nix!"
Neben diesen pragmatischen Überlegungen sei der Gesetzentwurf auch aus grundsätzlichen Erwägungen abzulehnen. Das Landeskriminalamt und die hessische Polizei seien bislang für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität zuständig und es gebe keinen Anlass, ihnen durch die Schaffung einer Konkurrenz quasi ein Misstrauensvotum auszusprechen.
Es verwundere schon sehr, in Zeiten der Verwaltungsreform eine Doppelzuständigkeit einzuführen, die Doppelarbeit, Doppelbelastung und Doppelkosten bedeute. "Zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität müssen die Kräfte gebündelt und nicht zersplittert werden", forderte Schaub.
Höchst problematisch sei, dass der Verfassungsschutz für die Bekämpfung von Kriminalität zuständig gemacht werden solle, obwohl er keine Strafverfolgungsbehörde sei und er ohne ausreichende Kontrolle durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte nach eigenem Gusto seine Erkenntnisse verwerten könne. "Die Polizei ist dem Legalitätsprinzip verpflichtet, sie muss Straftaten verfolgen. Der Verfassungsschutz hat weder diese Pflicht noch die Exekutivbefugnisse, um Maßnahmen zu ergreifen. Deshalb ist diese Behörde zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ungeeignet."
Unverständlich sei die Wankelmütigkeit der FDP bei dieser zentralen Frage des rechtsstaatlichen Verhaltens. "Der Mainzer Justizminister Mertin (FDP) will die Trennung von Polizei- und Verfassungsschutzaufgaben aus grundsätzlichen Erwägungen beibehalten. Die hessische FDP – die sich im Schwarzgeldskandal bereits den Ruf einer ehemaligen Rechtsstaatspartei verdient hat – vermeidet eine klare Stellungnahme, sondern vertagt ihre Entscheidung auf die Anhörung des Landtags. Das macht einmal mehr deutlich, dass die FDP ihren eigenen Ansprüchen schon längst nicht mehr gerecht wird."