"Wir hörten eine Regierungserklärung, offensichtlich als Jubelarie gedacht. Allerdings ist und bleibt der Kreis der Jubilierenden recht überschaubar. Denn eins ist sicher: Wer so wenig Anspruch an die Qualität von Bildung in unserem Land stellt, dem kann man offensichtlich leicht mit Zahlen Freude bereiten. Zudem: Diese Zahlen entstammen, wie oft in der Vergangenheit auch, einer Statistik, die man selbst geschönt und frisiert hat, damit die Bilanz wie gewünscht auch ausfällt.
Hart an der Wahrheit, viel Luft und wenig Substanz: So die offizielle Regierungsbilanz!
Unsere Kritik hat viele Facetten und es gibt viele Gründe, weshalb Opposition in der Bildungspolitik gefordert ist : Eine Qualitätsoffensive für unsere Schulen muss kommen, wenn wir die richtigen Antworten für unsere Schülerinnen und Schüler in einer Zeit dramatischen gesellschaftlichen Wandels geben wollen.
Eine Politik, die völlig verengt darauf schielt, eine möglichst hohe Unterrichtsabdeckung zu erreichen, übersieht wesentliche Entwicklungen, die für die Qualität des Bildungserfolgs mindestens genauso wichtig sind. Ja, Frau Wolff, Sie nehmen gar billigend in Kauf, dass sich Lehr- und Lernbedingungen dramatisch verschlechtern, dass Bildungschancen für unsere Kinder abgebaut und neue soziale Barrieren aufgebaut werden.
Sie haben kein Konzept, was gute, was erfolgreiche Schule auszeichnet! Meine Damen und Herren, von Qualität von Schule erwarten wir mehr, weil wir mehr von Qualität verstehen !
Wir kritisieren selbstverständlich nicht, dass der Unterrichtsausfall etwas zurück gedrängt wurde, wir kritisieren selbstverständlich nicht, dass vermehrt junge Kolleginnen und Kollegen in den letzten Jahren ihren Dienst aufgenommen haben, bedingt auch durch die große Zahl der Pensionierungen im letzten Jahr. Wir kritisieren nicht, dass der Bildungsetat entsprechend aufgestockt wurde.
Wir kritisieren aber sehr wohl, dass alles, was zu der Entwicklung einer guten Schule unzweifelhaft ebenfalls dazu gehört, völlig unberücksichtigt bleibt. Wir kritisieren, dass bewusst Qualitätseinbußen an unseren Schulen in Kauf genommen werden, dass bewusst Lern- und Ausbildungsbedingungen verschlechtert werden, um die Unterrichtsstatistik zu schönen.
Rechtzeitig vor Beginn des neuen Schuljahres ereilte die Schulen und Staatlichen Schulämter ein Erlass aus dem Hause Wolff, der sie anwies, die Klassenhöchstgrenzen auszuschöpfen. Das heißt, dass Klassen an Hauptschulen z.T. gar über 30 Schüler haben, an Grundschulen häufig 28 und manchmal gar mehr, in Förderstufenklassen sitzen bis zu 30 Schülerinnen und Schüler. So , Frau Ministerin, stellen wir uns die Verbesserung von Bildungsqualität an Hessens Schulen nicht vor. Zusätzliche Ressourcen müssen gerade auch dazu genutzt werden, für bessere pädagogische Rahmenbedingungen zu sorgen.
Statt auf dem Weg in ein Bildungsland Hessen befinden wir uns dank Ihrer Politik eher in einer bildungspolitischen Sackgasse.
Ein zweites Feld der Verschlechterung der Rahmenbedingungen für unsere Schulen stellt der personelle Abbau im Bereich der Staatlichen Schulämter und in der Lehrerfortbildung dar. Mehr denn je sind wir angewiesen auf eine quantitativ und qualitativ verbesserte Fort- und Weiterbildung unserer Lehrerinnen und Lehrer, mehr denn je sind wir angewiesen auf quantitativ und qualitativ verbesserte Beratung und Aufsicht durch die Staatlichen Schulämter. Ihre Budgetierung wird zur Strangulierung dieser wichtigen Unterstützungssysteme unserer Schulen. Die Fortbildungsangebote bleiben völlig unzureichend.
Wir müssen unsere Schulen weiter entwickeln unter den Aspekten der Chancengleichheit, der Gerechtigkeit und Solidarität, unter dem Leitziel, alle Begabungen gleichwertig zu fördern und die Wissens- und Könnensvermittlung auf allen Ebenen zu verstärken. Wir sagen an dieser Stelle, dass eine entscheidende Antwort sein wird, dass verstärkt Ganztagsangebote an unseren Schulen und die zusätzliche Gründung weiterer Ganztagsschulen den richtigen organisatorischen Rahmen bilden.
Wir brauchen mehr Zeit zum Lehren und Lernen, Schülerinnen und Schüler brauchen mehr Zeit um selbstständiges Lernen zu entdecken, sie brauchen mehr Anleitung, um im Bereich der neuen Medien kompetenten Umgang zu erlernen, sie brauchen mehr Zeit um projektorientiert zu arbeiten, sie brauchen auch mehr Zeit um Schlüsselqualifikationen im Bereich von personalen und sozialen Werten und Kompetenzen zu erwerben.
Ganztagsangebote und Ganztagsschulen sind aber nicht nur – und dies sei der Vollständigkeit wegen dazu ergänzt – in der Lage, dass wir pädagogisch deutlich mehr Möglichkeiten haben, um die Förderung des Einzelnen zu intensivieren, dass wir zusätzliche Begabungsreserven erschließen und soziale Bildungsbarrieren abbauen, sondern dass wir darüber hinaus wichtige Beiträge leisten für die soziale Integration von Schülerinnen und Schülern, dass wir einen wichtigen, einen unverzichtbaren Beitrag damit leisten für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, dass wir die richtige Antwort damit geben auf veränderte familiäre Entwicklungen und dass wir darüber hinaus auch die richtige Antwort geben für zusätzliche Anforderungen an die Qualifizierung junger Menschen, die sich aus den veränderten und gesteigerten Anforderungen aus der Wirtschaft ergeben.
Den Zug in Richtung zur Ganztagsschule haben wir unter Dampf gesetzt, zunächst unter hämischen Kommentaren der verständnislosen Regierungskoalition. Mittlerweile wollen Sie sich Ihren Platz zumindest im Bremserhäuschen sichern, um doch noch mitfahren zu können. Aber auch hier gilt: Wer zu spät kommt, den straft der Wähler !
Wir sagen ja zu mehr Qualität an unseren Schulen, weil wir alle Schülerinnen und Schüler besser fördern wollen. Sie tun genau das Gegenteil: Sie grenzen aus. Sie schotten ab. Sie machen dort, wo Durchlässigkeit notwendig ist, um Chancen zu verbessern, Bildungsgänge dicht.
Wir brauchen nicht mehr Versager in unserem Schulsystem, sondern wir brauchen mehr junge Leute, die in allen Schulformen qualifizierte Abschlüsse erreichen, und ich sage sehr überzeugt: Wir brauchen mehr mittlere und höhere Bildungsabschlüsse und wir brauchen mehr Studienanfänger und besonders brauchen wir mehr erfolgreiche Studienabschlüsse.
Deshalb muss die Durchlässigkeit zwischen den Schulformen gefördert und ausgebaut werden. Wer sagt, dass mehr Auslese und erschwerter Zugang zu höheren Bildungsabschlüssen zu einer Leistungssteigerung führe, der hat offensichtlich nicht begriffen, was wissenschaftliche Untersuchungen seit Jahren dokumentieren, was übrigens ganz besonders auch die TIMS-Studie gezeigt hat:
Höhere Bildungsbeteiligung und höhere schulische Abschlüsse werden nicht eingekauft durch Leistungsminderung. Wenn in anderen Ländern, in den skandinavischen z.B., über 50 % eines Jahrgangs studieren und gleichzeitig die skandinavischen Schüler bei internationalen Studien besonders erfolgreich abschneiden, so zeigt sich, dass durch gezielte Bildungsförderung, auch und gerade durch gezielten Abbau von sozialen Bildungsbarrieren, wir erreichen können, dass insgesamt das Bildungs-, das Qualifizierungsniveau steigt und dass damit die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft vorangetrieben und die Stärkung des Einzelnen erfolgreich geleistet wird. Verstärkte Auslese und immer mehr schulische Abgrenzungen führen gerade nicht zu besseren Leistungsergebnissen wie die internationalen Vergleichsstudien zeigen.
Wir müssen raus aus Ihrer bildungspolitischen Sackgasse. Wir müssen runter von den Wegen , die zu Bildungsabbau führen. Wir müssen die Zukunftschancen vieler junger Menschen mehren und nicht mindern. Ihr Rezept hat fatale Nebenwirkungen: Es wird dazu führen, dass wir in Deutschland in den nächsten Jahren verstärkt einen Akademikermangel erfahren werden. Seriöse Prognosen erwarten bereits jetzt einen Mangel von rd. 250000 Akademikern im Jahre 2010 in Deutschland. Wir wissen schon jetzt, dass wir auch in bestimmten Bereichen der dualen Ausbildung und in der Ingenieur- und Technikerausbildung personelle Engpässe erwarten müssen. Unsere Antwort darauf lautet :Wir machen Schule besser. Wir steigern die Bildungschancen aller Schülerinnen und Schüler, wir stärken die Qualität schulischer Leistungen, wir erhöhen die Zahl der mittleren und höheren Bildungsabschlüsse, ohne das Leistungsniveau zu senken !
Die optimale Förderung gilt besonders für die Gruppe der Schülerinnen und Schüler am unteren Ende der Leistungsskala.
Sie feiern die erhöhte Zahl der Sitzenbleiber als Leistungsfortschritt und machen damit nur deutlich, dass Sie nicht verstanden haben, dass es nicht ein Leistungskriterium des Schulsystems sein kann, Versager zu produzieren, sondern dass es ein Leistungskriterium von Schule ist, möglichst viele Schüler optimal zu fördern.
Sie feiern die gestiegene Zahl der Hauptschüler und produzieren gleichzeitig innerhalb dieser Gruppe mehr von denjenigen, die ohne qualifizierten Hauptschulabschluss die Schule verlassen werden.
Sie verbreitern die Gruppe derjenigen, die auf dem Ausbildungsmarkt kaum eine Chance haben.
Wir alle wissen, dass 10 % eines Jahrgangs ohne Abschluss die Schule verlassen und etwa 15 % der jungen Menschen bis 25 ohne berufliche Ausbildung bleiben. Hier ist programmiert, dass aus dieser Gruppe nur wenige Chancen haben werden, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, ihr Leben in eigener Verantwortung gestalten zu können. Deshalb müssen wir uns gezielt mit fördernden Angeboten um diese Gruppe kümmern. Hier muss Schule neu gedacht werden, hier muss die kommunale Verantwortung gemeinsam mit der Landesverantwortung gebündelt werden, hier muss Jugendhilfe, muss Berufshilfe, muss Schulsozialarbeit verknüpft werden mit fördernden pädagogischen Angeboten."
Wir setzen damit Ihrem Desinteresse an diesem Thema und an dieser Gruppe junger Menschen eine klare programmatische Alternative entgegen. Wir machen Schule besser auch für diese Jugendlichen, weil wir nicht zulassen werden, dass Abertausende auf dem Weg in ein neues gesellschaftliches Zeitalter am Wegesrand vergessen zurückbleiben.
Meine Damen und Herren, nur wer sich diesen Fragen der Qualitätsentwicklung und der Qualitätssicherung stellt, hat auch die richtigen Antworten auf die Erwartungen, die unsere Schüler heute stellen, hat auch die richtigen Antworten auf die Erwartungen, die von der Wirtschaft, die von der Gesellschaft insgesamt an unsere Schulen und an unsere Schülerinnen und Schüler gestellt werden. Wir machen Schule besser, wir verstehen mehr von Schule und reden deshalb von der Qualität unserer Schulen. Deshalb sind wir auch in der Lage ein schlüssiges und besonders: ein zukunftsfähiges Konzept in die bildungspolitische Diskussion einzubringen. "Hessen vorn" wird unter einer SPD-Regierung dann wieder Programm und Wirklichkeit zugleich sein!"