"Seit über eineinhalb Jahren verwaltet Hessens Regierung den finanziellen Notstand, den die Kultusministerin ‚Förderung der Erwachsenenbildung" nennt. Alle Haushaltsanträge der SPD-Fraktion zur finanziellen Absicherung der Träger auf der Basis der Bad Nauheimer Vereinbarung wurden mit Hinweis auf den in Kürze vorliegenden Gesetzentwurf abgelehnt. Durch die prekäre Finanzsituation der Träger, die durch die handstrichartigen Kürzungen um 30% entstanden ist, kann die Landesregierung heute einen Gesetzentwurf vorlegen, dessen Akzeptanz im wesentlichen nicht von seinen Inhalten abhängt. Vielmehr haben finanzielle Zwänge die Träger dazu genötigt, sich mit einem unausgegorenen Gesetzentwurf und abgekürztem Beratungsprozess zufrieden zu geben.
Schließlich gibt es den avisierten Zuschlag in Höhe von insgesamt 1,5 Mio. DM für 2001 nur nach Inkrafttreten des Gesetzes ab dem 1.7. dieses Jahres. Jede Verzögerung bedeutet weitere finanzielle Lücken in den Kassen der Träger – das ist wahrlich kein Ausgangspunkt, um über ein Gesetz zu diskutieren, das Weiterbildung in Hessen neu strukturieren und weiterentwickeln will.
Man muss eigentlich nicht mehr betonen, dass dieser Zuschlag bei weitem die vorigen Kürzungen nicht ausgleicht. Das finanzielle Förderniveau des Landes Hessen bleibt auch danach mit Abstand das niedrigste unter den Bundesländern.
Wir haben heute einen Gesetzentwurf vorliegen, der Weiterbildung als Zukunftsperspektive definieren will, aber eher durch Mängel im Anhörungsprozess, durch schlechte Textqualität und durch mangelhafte finanzielle Ausstattung auffällt. Er genügt nicht dem Anspruch, Weiterbildung als 4. Säule des Bildungswesens festzuschreiben und auch entsprechend abzusichern.
Der finanzielle Offenbarungseid wird durch inhaltslose Formeln zur Berechnung der Zuschüsse nach Unterrichtsstunden und/oder Einwohnerzahlen verbrämt. Schließlich stand die zukünftige Höhe der Fördersumme bereits als einer der ersten Fixpunkte fest und muss jetzt nachträglich mit einer inhaltlichen Begründung legitimiert werden.
Nur als Entgleisung kann man dabei die Äußerung der Hessischen Kultusministerin gegenüber der Presse bewerten, man wolle zukünftig nicht Köpfe (sprich Personal) sondern Leistung fördern.
Sie verschweigt dabei, dass die Leistung der Volkshochschulen und Erwachsenenbildungsträger in den letzten beiden Jahrzehnten gemessen an der Zahl der Unterrichtsstunden im Gegensatz zum Anteil der Landesförderung massiv gewachsen ist. In den letzten zwanzig Jahren stieg die Nachfrage nach Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen bundesweit von 25% auf 42% der Bevölkerung zwischen 16 und 65 Jahren. Die Träger haben mit einem Mehr an Angebot und Leistung auf die gestiegene Nachfrage reagiert. Und sie haben gleichzeitig ihre finanziellen Ressourcen und den Personaleinsatz effektiver eingesetzt.
Diese Zahlen sind Ausdruck dafür, dass die Forderung nach lebenslangem Lernen von einem wachsenden Teil der Bevölkerung aufgegriffen wird. Immer mehr Menschen erkennen, dass Bildung und Qualifikation von entscheidender Bedeutung für ihre Lebenschancen sind. Lebenslanges Lernen befähigt sie, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten weiter zu entwickeln, ein eigenständiges Leben zu führen, beruflichen Aufstieg und Existenz zu sichern. Chancengleichheit kann so realisiert werden.
Die Chancen von Weiterbildung, die für alle erreichbar und zugänglich ist, werden auch von der Politik längst akzeptiert. Und sogar die Hessische Landesregierung betont die Bedeutung der Weiterbildung.
Doch im Gegensatz zu den Ausgaben im Schulbereich ist die Weiterbildung weiterhin das Stiefkind der Landesförderung im Bildungsbereich. Offenbar hat die Spitze des Kultusministeriums immer noch nicht begriffen, dass die Finanzierung von Weiterbildung langfristige Investitionspolitik ist und nicht nur einzelne, sondern auch den Standort fördert.
Die SPD Fraktion wird in den bevorstehenden Beratungen deutlich machen, dass nicht allein der finanzielle Rahmen des Gesetzes, sondern auch inhaltliche Festlegungen der Veränderung bedürfen, um möglicherweise das Gesetz im Konsens zu verabschieden.
Ich will heute nur auf wenige Punkte hinweisen, zu denen wir andere oder weitergehende Vorstellungen entwickelt haben. Im übrigen können Sie diese auch bereits in unserem Antrag aus dem letzten Plenum nachlesen, den Sie leider vorschnell und ohne die Möglichkeit zur Beratung im Ausschuss abgelehnt haben:
– Im Gegensatz zu früheren Versprechen der Kultusministerin wird das finanzielle Volumen der Förderung nicht im Gesetz festgeschrieben. Planungssicherheit als Kriterium eines neuen Gesetzes wurde den Trägern zugesagt, übrig geblieben ist die Absicht, Verträge mit den einzelnen Landesverbänden über die Höhe der Bezuschussung abzuschließen. Unklar ist weiterhin, ob mit dem Abschluss dieser Verträge das Haushaltsrecht des Parlaments tangiert ist und ob solche Vereinbarungen für den Hessischen Landtag bindend sind. Nach Durchsicht der letzten Fassung des Gesetzentwurfs bin ich nicht einmal mehr sicher, Frau Ministerin, ob Sie selbst sich noch an Vereinbarungen gebunden fühlen wollen. Die neue Formulierung, dass die Förderung ‚nach Maßgabe des Haushalts" erfolgt, lässt in Sachen Planungssicherheit alle Wünsche offen. Die SPD-Fraktion hält es für erforderlich, die Finanzierung und eine Dynamisierungsklausel im Gesetz festzulegen, um Zuschüsse auch steigenden Kosten anzupassen.
– Als zweiten Punkt will ich erwähnen, dass unserer Auffassung nach die Bedeutung der Weiterbildung nicht adäquat beschrieben wird. Weiterbildung ist ein gleichberechtigter und integrierter Teil des Bildungssystems in öffentlicher Verantwortung. Diese Zielsetzung muss sich auch im Gesetz wiederfinden, wenn die Aussagen zur zukünftigen Entwicklung und Bedeutung der Weiterbildung ernst genommen werden sollen. Weiterbildung muss als öffentliche Aufgabe aufgewertet werden. Auch das Recht des einzelnen auf Weiterbildung ist im Gesetz zu verankern. Jeder muss das Angebot und die Chance haben, Bildungsdefizite abbauen und zusätzliche Qualifikationen für die berufliche und persönliche Entwicklung erwerben zu können. Es ist nicht verständlich, warum diese Aussagen nicht wie in allen anderen Landesgesetzen aufgenommen wurden.
– Zu kurz gekommen sind Ansätze zur Qualitätssicherung. Ebenso sollte die Einrichtung von Weiterbildungsberatungsstellen auf regionaler Ebene zur Schaffung von mehr Transparenz über das Bildungsangebot diskutiert werden.
– Die zukünftige Zusammensetzung des Landeskuratoriums ist in der vorgeschlagenen Form nicht akzeptabel. Die Volkshochschulen als öffentliche Träger erbringen über die Hälfte der in Hessen geleisteten Unterrichtsstunden, der HHV als Landesverband soll jedoch zukünftig nur noch einen statt bisher neun Sitze in diesem Gremium inne haben. Das wird weder der Bedeutung der Volkshochschulen noch der Tatsache gerecht, dass die Volkshochschulen als öffentliche Träger gesetzlich zur Vorhaltung der Grundversorgung mit Bildungsangeboten vor Ort verpflichtet sind. Hier sieht die SPD-Fraktion dringenden Änderungsbedarf.
– Meine Damen und Herren, zum Thema Volkshochschulen eine letzte Anmerkung: Die Landesregierung hat es nahezu apodiktisch vermieden, in ihrem Gesetzentwurf den Begriff Volkshochschule zu verwenden. Die gänzliche Tilgung von ‚Volkshochschule" ist für uns nicht nachvollziehbar. Falls nicht die Absicht besteht, deren Arbeit durch Weglassen ihres Namens abzuwerten, sollten Sie, Frau Kultusministerin, sich hier bewegen und dem Wunsch der Träger, der auch der unsere ist, nachkommen. Erwachsenenbildung in öffentlicher Verantwortung hat seinen Ursprung in den Volkshochschulen, und diese Tatsache sollte auch in einem neuen Gesetz nicht vergessen werden.
– Wir hoffen, dass wir diese und weitere Punkte in den Ausschussberatungen und in einer Anhörung der Träger klären können. Es wäre sicherlich ein gutes Signal für die Zukunft der Weiterbildung, wenn es diesem Haus gelingt, ein von allen Fraktionen getragenes Gesetz zu verabschieden."