Fuhrmann: Note ungenügend! Halbzeitbilanz der Landesregierung ein sozialpolitisches Armutszeugnis

So wird z.B. die Verwässerung des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes durch das so genannte Beschleunigungsgesetz nicht erwähnt. Dadurch wurden Sanktionsmöglichkeiten der Frauenbeauftragten und die personelle Verstärkung der kommunalen Frauenbüros eingeschränkt. Weiterhin ist nach dem neuen Gesetz die Bestellung einer Frauenbeauftragten und ein Frauenförderplan erst in Dienststellen und Kommunen mit mehr als 50 Beschäftigten verpflichtend. Früher lag die Grenze bei 20 Beschäftigten.

Bei Orientierungskursen für den beruflichen Wiedereinstieg von Frauen wurde kräftig gekürzt. 1999 wurden diese Maßnahmen noch mit 5,109 Mio DM vom Land gefördert aber 2000 und 2001 nur noch mit 3,75 Mio DM. "Von der in der Halbzeitbilanz vielgerühmten Familienfreundlichkeit profitieren arbeitslose Frauen nach der Familienpause nicht, sie entlarvt sich als reines Lippenbekenntnis", so Fuhrmann.

Auch die Praxis der Stellenbesetzung im Sozialministerium ist mehr als fragwürdig. Die vielgepriesene Vereinbarkeitspolitik gestaltet sich so, dass die Stellen von MitarbeiterInnen im Erziehungsurlaub schlichtweg unbesetzt bleiben, so dass die verbliebenen MitarbeiterInnen die Arbeit zusätzlich tragen müssen.
Die mangelnde Bedeutung von Frauenpolitik für die Sozialministerin zeigt sich nicht nur darin, dass sie sich nicht mehr als Frauenministerin bezeichnen lassen will, sondern auch im Umgang mit der Frauenabteilung ihres Ministeriums. Die Stelle der Abteilungsleiterin des Frauenreferates steht im Haushalt als "k.w." (künftig wegfallen), sie soll also nach dem Ausscheiden der bisherigen Stelleninhaberin wegfallen. Das Auflösen der Frauenabteilung ist somit vorprogrammiert. Schon jetzt umfasst der persönliche Stab der Ministerin mehr MitarbeiterInnen als die Frauenabteilung. "Und das ist ein Skandal", so Fuhrmann.

Dass die Ministerin mehr Wert auf den "schönen Schein" als auf handfeste Frauenpolitik legt, wird auch daran deutlich, dass sie die Landeszuschüsse für Gutachten für Frauen von 1999 auf 2001 um 43 000 DM gekürzt hat und in ihrem Haushalt 2001 ein neuer Titel von 40 000 DM für Bewirtung eingestellt wird. "Mir scheint, die Ministerin achtet mehr auf ihren Auftritt nach außen, als auf die Inhalte ihrer Politik", so Fuhrmann ärgerlich. "Das begann schon damit, dass sie den teuersten Dienstwagen des Kabinetts orderte und damit selbst bei KollegInnen Unmut erzeugte:"

In den übrigen Punkten des Aufgabenbereichs der Sozialministerin sieht die Bilanz nicht besser aus.
· So versäumt die Sozialministerin die Festlegung landeseinheitlicher Richtlinien bei der Neustrukturierung sozialer Hilfen, die zur Zeit in Modellversuchen in Kassel und Groß-Gerau erprobt wird. Es gibt keine vorgeschriebenen Qualitätsstandards und das Projekt wird nicht – wie eigentlich vorgesehen – wissenschaftlich begleitet, um die Tragweite dieser Entscheidung zu überprüfen.
· Die dringend notwendigen Investitionen bei Einrichtungen für alte und pflegebedürftige Menschen werden durch eine Änderung der Landeszuschüsse erschwert. Bisher hatte das Land bei solchen Investitionen 2/3 der Mittel als Zuschuss und 1/3 als Darlehen vergeben, jetzt wird es nur noch die Hälfte als Zuschuss geben und die andere Hälfte als Darlehen. Diese Politik trägt Sparmaßnahmen des Landes auf den Rücken von alten und hilfsbedürftigen Menschen aus.
· Besonders empört äußerte sich Petra Fuhrmann über den Abschnitt "Politik für Familien" in der Halbzeitbilanz der Landesregierung. Die Regierung rühmt sich selbst, sie habe im Jahr 2001 im Rahmen der Offensive für Kinder 16 Mio DM und damit zusätzliche 12 Mio DM für die Kinderbetreuung bereitgestellt. Das ist die schlimmste Augenwischerei, denn die Landesregierung hat zuvor ganze 100 Mio DM sogenannte Verstärkungsmittel für die Kinderbetreuung gestrichen. "Wer dann gerade mal 12 Mio DM in die Hand nimmt und dies als familienpolitische Offensive verkauft, der versucht die Öffentlichkeit zu belügen", so Fuhrmann. Nicht einmal das Versprechen des Landes, die Kommunen durch Haushaltsmittel bei den nötigen Investitionen für den behindertengerechten Umbau von Kindertagesstätten zu unterstützen, habe die Sozialministerin gehalten. Fuhrmann: "Das nenne ich Wortbruch!"
· In der Behindertenpolitik ist ebenfalls nur Rückschritt zu beobachten. Der SPD-Gesetzentwurf zur Gleichstellung Behinderter wurde lapidar abgelehnt. Der behindertengerechte Umbau von landeseigenen Liegenschaften komme nicht voran, der ÖPNV werde nicht barrierefreier – all das sind klare Versäumnisse in der hessischen Sozialpolitik.
· Auch in der Arbeitsmarktpolitik sind keine neuen Impulse zu sehen: Das vielgepriesene Kombilohnmodell werde nur "begleitet", aber nicht finanziert und die Tatsache, dass insgesamt in Hessen gerade mal eine Handvoll Menschen Arbeit mittels Kombilohn erhielten, zeige in aller Deutlichkeit, dass dies ein absoluter Flop ist. Stattdessen werde das Programm "Arbeit statt Sozialhilfe" nur noch abfinanziert, obwohl sich der Anteil von Langzeitarbeitslosen verfestige. Ziel dieses Programmes war gerade die Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt, um sie von der Sozialhilfe unabhängig zu machen. Hier wären neue Impulse und Initiativen nötig, aber: Fehlanzeige!
· Die faktische Auflösung des Landesjugendamtes, die Schließung der Jugendbildungsstätten, das Chaos bei der Verwaltungsreform – sowohl bei der Versorgungsverwaltung, als auch bei der Arbeitsschutzverwaltung – zeige einen arroganten Umgang mit den Beschäftigten und mit den Betroffenen.

Eine Ministerin, die plan- und konzeptionslos agiere und sich auf die Moderationsrolle beschränke, habe nicht begriffen, was Aufgabe ihres Amtes sei. "Sie kann es einfach nicht, ihre Arbeit hat die Note ungenügend verdient", so Petra Fuhrmann abschließend.