"Die Rahmenbedingungen für erfolgreiches politisches Handeln sind besser denn je. Die Zeit des politischen Stillstandes durch eine reformunfähige CDU-FDP-Regierung im Bund ist vorbei. Der Reformstau in Deutschland wurde aufgelöst. Es gibt eine Steuerreform, die diesen Namen verdient, eine aktive Arbeitsmarktpolitik und die Konsolidierung des Haushalts.
Davon profitiert Hessen. Die Steuerpolitik des Bundes, die von dieser Landesregierung abgelehnt worden ist, bringt dem Land zusätzlich Geld: 2002 in Höhe von 1,2 Mrd. DM nach dem Länderfinanzausgleich, 2003 in Höhe von 1,1 Mrd. DM. Dies ist ein schlagender Beweis für, dass Spielräume geschaffen werden.
Die heutige Regierungserklärung steht unter der Überschrift: Aus Chancen werden Erfolge. Ich gebe dem Ministerpräsidenten recht: Aus Chancen können Erfolge werden. Nur diese Chancen hat er nicht genutzt und deswegen wird er auch keinen Erfolg haben.
Die zwei Jahre der Regierung Roland Koch sind zwei Jahre der Stagnation und in weiten Politikfeldern Jahre des Rückschritts.
Die zwei Jahre der Regierung Koch sind aber auch zwei Jahre der Skandale und eines gestörten Verhältnisses zur Wahrheit.
Hessen ist mitten in Deutschland und mitten in Europa ein wirtschaftsstarkes Land. Das ist Ergebnis des Fleißes und des Engagements der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der Selbständigen in diesem Land.
Es ist auch Ergebnis von Rahmenbedingungen, die von Sozialdemokraten in der 55-jähriger Geschichte dieses Landes gestaltet wurden. Wir können stolz sein auf unser Land.
Dabei ist unser Hessenland geprägt von sehr unterschiedlichen Strukturen. Deshalb ist eine regionalisierte Politik ist jetzt mehr denn je ein Gebot der Stunde.
Die Potentiale einer Region können nur erschlossen werden, wenn sich Bildungs- und Hochschulpolitik, regionale Wirtschaftspolitik und lokale zu verantwortende Sozialpolitik, aber auch weiche Standortfaktoren, wie
Kultur, Landschaft, Naherholung zu einem regionalen Leitbild zusammenfügen.
Die Kommunen in Starkenburg – Wissenschaftsstadt Darmstadt und die Kreise –
haben sich hier schon seit längerer Zeit gut formiert. Dass sie eine der wichtigsten und innovativsten Technologiestandorte Europas geworden sind, hat etwas mit diesem gemeinsamen Handeln der Region zu tun. In Starkenburg sieht man: Identität einer Region ist Ergebnis von Arbeit und Personen.
In der Rhein-Main-Region brauchen wir zur Sicherung von Zukunftschancen eine Organisation, die für die regionale Gemeinschaft als Ganzes sprechen darf. Wir wollen daher – ich füge durchaus hinzu: nach langer Diskussion – eine Rhein-Main-Region mit verfasster Struktur und einem Regionalparlament.
Ihr Rat der Regionen ist als kompetenzlose Plauderrunde, ein Modell, das zum Scheitern verurteilt ist. Hier fördern Sie Stagnation und riskieren, dass Rhein-Main im Wettbewerb der europäischen Regionen nicht mithalten kann.
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Absolut konzeptionslos lassen Sie Mittelhessen vor sich hindümpeln. Nachdem wir Sozialdemokraten ein dem Starkenburger Modell ähnelndes, allerdings die Regionalversammlung einbeziehenden Vorschlag auf den Tisch gelegt haben, gab es nur plumpe Ablehnung.
Mittelhessen ist zukunftsfähig, man muss allerdings den Willen haben, es zu gestalten. Diesen Willen sehen wir bei Ihnen nicht.
Rührend bis peinlich ist, wie Koch und Posch sich als Retter Nordhessens aufspielen. Die Gesamthochschule Kassel verdankt die Region der Initiative der SPD, ebenso die Ansiedlung von VW, das Logistikzentrum in Bad Hersfeld. In der Regierungszeit Eichel ist Auftragsvolumen in Höhe von 1,5 Mrd nach Nordhessen gegangen. Noch im Juli 1998 hat Ministerpräsident Koch die Führung der A 44 auf der Söhretrasse als Quatsch bezeichnet, seit Juli 99 wird Planung umgesetzt. Wenn sich einer mit diesem Projekt brüsten kann, dann Lothar Klemm.
Auch in Nordhessen gilt: Die Verantwortlichen haben erkannt, dass nur gemeinsame Aktivitäten – von Gewerbeansiedlung über den Tourismus bis zur Energieversorgung und der Abfallwirtschaft die nötige Prosperität der Region sicherstellt. Es ist gut, dass Wirtschaftsminister Posch sich hier einklinkt.
Wir erwarten von dem Wirtschaftsminister unseres Hessenlandes allerdings auch, dass er auch südlich der kurhessischen Grenze sichtbar wird. Es ist ja nicht nur unser Eindruck: Der Bankenstandort Frankfurt, das pulsierende Rhein-Main-Gebiet: Das ist seine Sache nicht.
Für das wirtschaftliche Gewicht des Rhein-Main-Gebietes und unseres ganzen Landes hat der Flughafen Schlüsselfunktionen. Deswegen ist die Kapazitätserweiterung unter den Bedingungen des Mediationsergebnisses – vom Nachtflugverbot bis zum Anti-Lärm-Pakt – das wichtigste Projekt der nächsten Jahre.
Diese Regierung ist dabei, das Projekt Flughafen nun völlig in den Sand zu setzen. Kein Wunder, dass die Flughafengegner über so viel Dilettantismus in der Landesregierung vor Freude feixen.
Dies Projekt kann nur gelingen, wenn man mit dem Willen zum Erfolg und nicht mit der Mentalität eines Oberinspektors beim Regierungspräsidenten an die Sache rangeht, Herr Wirtschaftsminister.
Allein die Durchführung des Scopingverfahrens durch den Regierungspräsidenten in Darmstadt zeigt, dass diese Landesregierung in dieser Frage völlig überfordert ist: Denn der Regierungspräsident ist Ihr weisungsgebundener Mitarbeiter. Seine Unfähigkeit ist daher Ihre Unfähigkeit.
Und dann dieser Ministerpräsident und Aufsichtsratsvorsitzende der FAG Roland Koch! Der tönt lautstark: Nachtflugverbot ohne wenn und aber. Dann spricht er vertraulich mit dem Chef der Lufthansa. Der sagt dann: Der Ministerpräsident ist klug genug zu wissen, dass ein absolutes Nachtflugverbot nicht möglich ist.
Wir erwarten von diesem Ministerpräsidenten, der ja rhetorisch gern den starken Mann spielt, dass er den Nutzern klar macht, dass es beim Mediationspaket keine Kompromisse gibt, dass wir uns nicht erpressen lassen. Und dass er auch der Lufthansa und den anderen Nutzern unmissverständlich klar macht: Ohne Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr gibt es keine Erweiterung! Und ich füge bewusst hinzu, das gilt z. B. auch für die im Mediationsergebnis festgelegten Lärmgrenzen tagsüber, die eingehalten werden müssen.
Herr Ministerpräsident, sorgen Sie in dieser Sache auch dafür, dass die Landesregierung mit einer Zunge spricht. Solange nach jeder rhetorischen Festlegung durch den Ministerpräsidenten der Wirtschaftsminister offen sagt, das geht alles sowieso nicht, schadet diese Regierung dem Projekt und dem Wirtschaftsstandort Hessen.
Und kommen Sie mir nicht mit dem Hinweis, Sie, Herr Ministerpräsident, formulieren das politische Ziel und der Minister müsse das rechtlich einwandfreie Verfahren beachten. Es ist Ihre Aufgabe, das politisch Gewollte in einem geordneten rechtlichen Verfahren zusammenzuführen.
Solange Sie das nicht hinbekommen, werden die Menschen der Politik nicht abnehmen, dass wir es ernst meinen mit der Erweiterung des Flughafens bei Einhaltung der genannten Kriterien. In Sachen Flughafen hat diese Regierung jedenfalls wertvolle Zeit verstreichen lassen. Das führt zu Stagnation und schadet unserem Land.
Oder, um bei Ihren Worten zu bleiben: Aus dieser Chance kann Erfolg werden. Nur haben Sie diese Chance bisher nicht genutzt.
Rührend, dass sich Herr Koch wegen des Einstiegs des Landes bei der Landesbank Hessen-Thüringen rühmt. In der Koalitionsvereinbarung war das – es ist erst zwei Jahre her – strikt ausgeschlossen worden. Dann kam Bewegung in die Landesbanken. Fusionen, Kooperationen wurden diskutiert. Und die Länder Bayern und Baden-Württemberg waren dabei: Die hessische Landesregierung hätte am Katzentisch gesessen.
Erinnern wir uns: Es war Manfred Kanther, der die Helaba seinerzeit verkauft hat. Die CDU-Regierung verkaufte für einen Barwert von ca. 465 Millionen ihren Anteil von 50 Prozent. Und die öffentlich rechtlichen Versicherungen, in die das Land jetzt natürlich nicht mit einsteigt, waren im Schleuderpreis inbegriffen.
Während Ernst Welteke für die SPD diese unverantwortliche Verschleuderung von Staatsvermögen anprangerte, erhob in der CDU-Fraktion niemand die warnende Hand. Obwohl in ihrer Fraktionsspitze ein Mann saß, der so gern als "Wirtschaftsanwalt" firmierte. Sein Name: Roland Koch. Aber wahrscheinlich hat er auch in diesem Fall von den Geldflüssen des Manfred Kanther nichts mitbekommen.
Nun könnte man die 465 Millionen für 50 Prozent den 600 Millionen für 10 Prozent gegenüberstellen und sagen: Die Kanthers und Kochs – und Herr Weimar war auch dabei – haben damals 2 400 Millionen, sprich 2,4 Milliarden verschenkt. Ich sage es anders: Hätte die CDU-Regierung die seinerzeitigen Erlöse langfristig vernünftig angelegt, dann wäre dies jetzt eine Milliarde. Stellt man dann den heutigen Schätzwert der Hälfte der Heleba – die Börsendienste Czerwensky und Platow gehen von 3000 bis 4000 Millionen aus – dann hat das Land durch den Verkauf von CDU und FDP bis heute 2 bis 3 Milliarden verloren.
Dieser Verlust ist unwiederbringlich, tritt heute nur offen zu Tage. Mit diesen zwei bis drei Milliarden könnten wir einen großen Zukunftsfonds einrichten, der diesen Namen auch verdient!
Auch hier sage ich: Sie haben ja recht: Aus Chancen können Erfolge werden. Aber dann muss man auch in der Lage sein, es zu können. Das Beispiel Landesbank zeigt ein weiteres Mal: Sie können es nicht!
Der Ausbau der Finanzdienstleistungen und des gesamten hiermit zusammenhängenden Beratungsgeschäfts in Frankfurt waren nur möglich durch die von sozialdemokratischer Landespolitik, aber auch – über die Parteigrenzen hinweg – von der Stadt Frankfurt gepflegten Internationalität. Die Ansiedlung der Europäischen Zentralbank wäre ohne diesen Grundkonsens nicht möglich gewesen.
Zur Bilanz dieses Ministerpräsidenten Koch und seiner CDU gehören, dass sie mit der plumpen, bewusst ausländerfeindlichen Kampagne, mit der immer noch unglaublichen Geschichte von den Vermächtnissen jüdischer Emigranten, oder auch mit den bohrenden Fragen nach den persönlichen Daten jüdischer Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion, dem Ruf Hessens, ein tolerantes, weltoffenes Land zu sein, schwer geschadet haben. Und damit haben Sie, Herr Koch, auch dem Wirtschaftsstandort Hessen Schaden zugefügt.
Rhein-Main und Hessen sind natürlich mehr als der europäische Bankenstandort. In anderen Wachstumsbranchen, wie der Informations- und Kommunikationstechnologie, der Bio- und Gentechnologie, aber auch beispielsweise der modernen mikromechanischen Fertigung oder der Verkehrstechnologie in Nordhessen können wir international zum großen Sprung ansetzen.
Aber da reicht es nicht aus, Herr Koch, Herr Posch, die wegweisenden Initiativen und Programme von unserem Wirtschaftsminister Lothar Klemm lediglich fortzusetzen. Von der Standortkampagne "Hessen – hier ist Zukunft" bis zur "Future-Capital-AG" haben wir Beispiele wie wir – teilweise mit den Vertretern der Wirtschaft – den Wirtschaftsstandort Hessen nach vorne gebracht haben.
Aber die Zeit geht weiter. Wenn wir das innovative Wachstumsland bleiben wollen, dann muss man mehr tun als diese Regierung tut, also nicht nur Begonnenes weiterführen, sondern Neues auf den Weg bringen.
Wirtschaftspolitik heißt gestalten und nicht verwalten. Wenn wir in Hessen aus Chancen Erfolge machen wollen, dann muss man erst mal in der Lage sein, diese Chancen zu erkennen. Und diese Fähigkeit ist bei dieser Regierung wahrhaftig unterentwickelt.
Beispiel: Energiepolitik. Die Energiepolitik von gestern war Rohstoffpolitik. Die Energieeinsparpolitik für morgen ist Technologiepolitik. Nach dem Atomkonsens der Bundesregierung mit der Wirtschaft hat Herr Koch getönt: Alles Quatsch, wenn wir in Berlin wieder dran sind, machen wir das binnen weniger Wochen rückgängig. Diese Äußerungen zeigen, dass dieser Ministerpräsident die historische Dimension des Atomausstiegs wirklich nicht begriffen hat. Und er merkt nicht, dass die Wirtschaft selbst schon seit 1980 in Deutschland kein Kernkraftwerk mehr gebaut hat.
Wer aber, wie Herr Koch, weiter auf Atomkraft setzt, verpasst die Chance auf alternative Energiequellen zu setzen. Er verpasst die Chance, gemeinsam mit Forschung und Wirtschaft auf Umwelttechnik zu setzen. Noch ist Hessen bei den Umweltdienstleistungen Spitze. Wir fordern die Regierung auf, alles daran zu setzen, dass wir dies bleiben. Das ist ein Wachstumsmarkt, der Arbeitsplätze bringt und nachhaltiges Wirtschaften sichert.
Herr Koch, begreifen Sie, dass Ihre Fixierung auf die Kernenergie nicht zeitgemäß ist und uns in die Gefahr bringt, dass wir bei einem Wachstumsmarkt, der Arbeitsplätze bringt und nachhaltiges Wirtschaften sichert, den Anschluss verlieren.
Angesichts immer höherer Anforderungen gerade auch in den Lehrberufen wird es immer junge Menschen geben, die in der freien Marktwirtschaft keine Chance haben werden. Experten sprechen von 10 bis 15 Prozent der Jugendlichen. Uns muss klar sein: Angesichts eigener unsicherer Zukunftsperspektiven empfinden sie die Rhetorik von Modernität, Flexibilität, High-Tech als Bedrohung und Ausgrenzung. Diesen Teil der jungen Menschen zu integrieren, muss eine Aufgabe gerade auch der Landespolitik sein. Nicht nur wegen des Auslaufens des Programms "Arbeit statt Sozialhilfe" hat in diesem Bereich diese Landesregierung und diese Sozialministerin schlicht versagt. Dabei geht es nicht nur darum "Arbeit statt Sozialhilfe" aufleben zu lassen. Wir brauchen ein innovatives Konzept zur Arbeitsmarktpolitik – da kann man auch über Kombilöhne reden, aber bitte nicht in der verkorksten Form dieser Regierung.
Und da muss das fortgesetzt werden, was wir begonnen haben: Nämlich neue Formen der Kooperation von Arbeitsverwaltung und Sozialämtern.
Unverantwortlich ist auch, wie diese Regierung die kommunalen und freien örtlichen Beschäftigungsinitiativen aushungert. Unverantwortlich einfach deshalb, weil die Kommunen allein gelassen werden, wenn es um die Integration der jungen Menschen geht, die es ohne Hilfe nicht schaffen.
Unser Ziel ist eine Politik, die sicherstellt, dass nach der Schule kein junger Mensch in der Ausbildungs- oder Arbeitslosigkeit landet. Gelingt uns das nicht, können aus sozialen und kulturellen Spaltungen politische Spaltungen werden. Schade, dass Sie dieser Herausforderung nicht gerecht werden.
Ohnehin steht die Regierung Koch für ein eklatantes Versagen bei der Sozialpolitik. Eine Politik für die Schwächeren unserer Gesellschaft findet nicht mehr statt.
Die Sozialministerin ist die Konkursverwalterin der Sozialpolitik. Allein die Streichung von 100 Millionen DM bei der Kinderbetreuung kommt einem familienpolitischen Offenbarungseid gleich und ist dazu noch kommunalfeindlich.
Die Kürzungen bei der Altenhilfe sind nicht nur schäbig, sondern angesichts einer wachsenden Zahl alter Menschen eine grundsätzlich falsche Weichenstellung.
Der Ministerpräsident hat ja in den letzten Tagen oft von Zwischenzeugnissen gesprochen. Die herkömmliche Notenskala reicht gewiss nicht aus, die Sozialpolitik dieser Regierung zu benoten.
Bildung und Ausbildung sind für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes von zentraler Bedeutung. Hier liegt der Schlüssel für Wohlstand, für beruflichen Erfolg ebenso wie für wirtschaftlichen Aufschwung. Und es ist keine neue Erkenntnis, das ein modernes Bildungssystem ständigen Reformbedarf hat.
Damit keine Missverständnisse auftauchen: Jede neue Lehrerin und jeder neue Lehrer sind willkommen. Allerdings auch das ist doch offensichtlich: Die Seifenblase von der Unterrichtsgarantie ist schillernd aufgestiegen und dann geplatzt.
Aber ich sprach ja von dem Reformbedarf. Ganztagsangebote in Schule und im vorschulischem Bereich sind vordringlich. Als ich vor knapp zwei Jahren sagte, das müsse ein ganz zentrales Thema der Landespolitik sein, reagierten Sie voller Spott. Jetzt sind Sie langsam dabei, die gesellschaftliche Dimension zu erkennen, hecheln hinterher und schaffen dennoch nicht den Anschluss.
Inhaltlich steht Ihre Schulpolitik unter dem Motto: Auslese statt Förderung. Das ist nicht mal Stagnation, sondern Rückschritt. Das ist die von Ihnen angekündigte neue Politik für Hessen. Da kann ich aber nur feststellen: Der zweitjüngste Ministerpräsident macht die älteste Bildungspolitik in Deutschland.
Zur Hochschulpolitik: Wir hatten ja erst in der Regierung Eichel ein neues Hochschulgesetz verabschiedet. Uns war klar, dass dies kein Gesetz für die Ewigkeit sein würde, schließlich musste beobachtet werden, wie sich die neuen Instrumente, z.B. die Experimentierklausel bewähren.
Nun haben Sie ein neues Hochschulgesetz verabschiedet, bei dem der Eindruck entstand, Sie wollten zurück in die 80er Jahre. Mein Eindruck ist, dass wir gemeinsam aufpassen müssen, dass wir in der Wissenschaftspolitik den Anschluss nicht verpassen.
"Wir müssen die Hochschule als Institution in neuen Zeiten neu denken", hat deshalb meine Kollegin Fellner hier im Landtag gesagt und aufgezeigt, was Sozialdemokraten darunter verstehen. Die Hochschulen brauchen Raum zur eigenen Entwicklung, zur Entfaltung von Autonomie und gerade auch deshalb zur Verwirklichung innerer Demokratie.
Wir müssen den Hochschulen die Chance einräumen, den steigenden Akademikerbedarf auch qualitativ gut zu bewältigen und sie in die Lage versetzen im Forschungsbereich noch mehr "Leuchttürme" von internationaler Bedeutung hervorzubringen.
Ein weiterer Bereich in dem wir endlich zu zeitgemäßer Politik kommen müssen, ist die Verzahnung von universitärer und außeruniversitärer Forschung. Wenn wir sehen, welch immensen Summen im außeruniversitären Forschungsbereich ausgegeben werden, wie parallel im staatlichen Bereich Grundlagenforschung betrieben wird, dann sieht man, welche Chancen vertan werden, wenn es zu keiner Verzahnung kommt.
Ich weiß: Solche Vorstellungen sind möglicherweise bei der jetzigen Rechtsform der Hochschulen nur schwer zu realisieren. Dann muss eben die Politik auch hierauf die passende Antwort geben.
Und noch ein anderer Punkt: Die Notwendigkeit lebenslangen Lernens ist ja unbestritten. Der Weiterbildungsmarkt ist ein Milliardenmarkt. Davon sollten unsere Hochschulen profitieren. Sie haben die notwendige Fachkompetenz. Und im Umkehrschluss kann es ihnen nur nutzen, wenn sie – auch hier durchaus im Sinne eines lebenslangen Lernens – permanent mit neuen Anforderungen und Entwicklungen konfrontiert werden.
Große Chancen also für unsere Hochschulen und den Wissenschaftsstandort Hessen. Wir müssen sie nur anpacken.
Nun zur Agrarpolitik. Aus Chancen werden Erfolge, sagt der Ministerpräsident.
Ich sage: Bei dieser Landesregierung werden Chancen vertan und der Rückschritt eingeläutet. Denn diese Landesregierung hat das Scheitern der Agrarpolitik immer noch nicht als Chance zum Umdenken und Umsteuern in der hessischen Landwirtschaft begriffen.
Und schon gar nicht ist sie in der Lage zu erkennen, welche Chancen darin für eine wirklich nach vorn gerichtete neue Politik für die ländlichen Räume liegt. Vielleicht ist da ja auch etwas viel verlangt von einem Landwirtschaftsminister, dessen Denken immer noch geprägt ist von einer Funktion als Spitzenfunktionär des Bauernverbandes. Um so mehr ist es die Aufgabe des Ministerpräsidenten das Steuer herumzureißen.
Wenn 27 Milliarden Subventionen für die Agrarwirtschaft dazu führen, dass die Verbraucher das Vertrauen in die Agrarprodukte verlieren und die bäuerlichen Familienbetriebe nicht mal eine einigermaßen sichere Existenzgrundlage haben, dann ist die bisherige Politik gescheitert. Es bleibt nur der Weg hin zu einer ökologisch ausgerichteten Agrarreform. Wir unterstützen daher die Absicht der Bundesregierung, die Zahl der Öko-Betriebe auf 10 oder sogar 20 Prozent anzuheben.
Und wir wollen diese Politik mit und nicht gegen die Bauern neu strukturieren. Die Neuorientierung der Agrarpolitik in Hessen muss eingebettet werden in eine nach vorn gerichtete Politik für den ländlichen Raum. Regionale Entwicklungskonzepte, die Wirtschafts- Regional- und Strukturförderung müssen mit der Landwirtschafts-, Naturschutz- und Umweltpolitik verbunden werden.
Dabei müssen wir sehen: Trotz aller Anstrengungen nehmen in weiten Bereichen des ländlichen Raumes die Probleme weiter zu, die Rahmenbedingungen werden immer schwieriger. Die Angebote, wie zum Beispiel Post und Bahn, aber auch Banken und der Dorfladen werden weniger. Wir wollen das Leben der Menschen im ländlichen Raum so gestalten, dass sie den Zugang zur Infrastruktur, Beschäftigung, zu Kinderbetreuung, zu Bildung und Kultur weiter behalten können.
Wir wollen nicht, dass die Menschen zu einer Abwanderung aus ihrer gewohnten Umgebung gezwungen werden. Eine solche Entwicklung der ländlichen Räume im Rahmen eines Agendaprozesses wie wir es beispielsweise im Biosphärenreservat in der Rhön vorgemacht haben, zeigt, dass die Menschen vor Ort dann auch bereit sind, das Schicksal ihrer Region selbst in die Hand zu nehmen: Handwerk und Landwirtschaft, Naturschutz und Kommunalpolitik und viele andere haben dabei die Zukunft ihrer Region bestimmt.
Es gibt wohl kaum einen Begriff im politischen Sprachgebrauch, der so Karriere gemacht hat, wie die "Nachhaltigkeit". Und dennoch können die meisten Menschen damit nichts anfangen. Dabei sind die Kerngedanken der Nachhaltigkeit – Generationsgerechtigkeit und Vorsorge – für fast alle Menschen Teil ihrer Lebenswirklichkeit.
Nachhaltigkeit erfordert langfristiges Denken und Handeln. Der Klimawechsel oder der Abbau der Ozonschicht werden sich möglicherweise erst in der nächsten oder übernächsten Generation massiv auf unser Leben auswirken. Das ändert nichts daran, dass wir schon heute handeln müssen, um diesen Auswirkungen zu begegnen.
Nachhaltigkeit setzt deshalb Mut zu Entscheidungen voraus, die sich nicht nur an Meinungsumfragen oder am nächsten Wahltermin orientieren. Überlegungen also, die sich in der Politik dieser Landesregierung nicht widerspiegeln. Keine Überraschung bei einem Naturschutz- und Umweltminister, der lieber die Kettensäge in Gang setzt, als das zu tun, was weit über Deutschland hinaus von Hessen erwartet wurde: Nämlich den Kellerwald als Nationalpark auszuweisen.
Wir wollen dagegen einen Nachhaltigkeitsplan für Hessen entwickeln. Deswegen haben wir einen "Zukunftsrat" vorgeschlagen, in dem alle wichtigen gesellschaftlichen Gruppen vertreten sind. In diesem Gremium wollen wir mit Repräsentanten aus den Bereichen Wirtschaft, Umwelt- und Verbraucherschutz, Landwirtschaft, Wissenschaft sowie den Gewerkschaften, Kirchen und Kommunen im Wege der Kooperation und des Konsenses über die Entwicklung unseres Hessenlandes jenseits der Tagespolitik nachdenken. Und natürlich muss dieses Nachdenken dann in praktische Politik münden.
Hier sind Chancen. Die Landesregierung ignoriert sie, weil diese Form von Politik nicht in ihr Weltbild passt. Auch hier kann ich nur sagen: Das ist mehr als Stagnation, das ist Rückschritt. Auch das unterscheidet diese Landesregierung von der sozialdemokratischen Bundesregierung. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat gerade einen "Rat für nachhaltige Entwicklung" eingerichtet.
Wir sehen also: In wichtigen Politikfeldern hat dieses Krisenkabinett versagt. Dabei muss man sich fragen, ob diese Regierung es nicht besser kann oder ob sie doch zu sehr mit ihren Skandalen beschäftigt war. Offenkundig trifft beides zu.
Kochs Regierung hat Hessen zum Land mit der größten Skandal-Dichte in Deutschland gemacht. Die bayerischen CSU-Amigos staunen doch schon: Der Koch ist ja noch schlimmer als wir es in unseren besten Zeiten waren.
Wir halten fest: Der Beschluss des Hessischen Wahlprüfungsgerichts zur Landtagswahl 1999 ist ein bleibender Makel für Ministerpräsident Koch. Roland Koch trägt jetzt das gerichtliche Siegel, ein Schwarzgeld-Ministerpräsident zu sein.
Das Wahlprüfungsgericht hat festgestellt: Der Einsatz von Schwarzgeld war wahlentscheidend, weil die ausländerfeindliche Wahlkampagne nahezu ausschließlich aus diesen trüben Quellen finanziert worden ist.
Auch das gehört zur Zwischenbilanz der Regierung: In Fragen der politischen Verantwortung haben wir einen Zeitenwechsel erlebt. Man wird künftig unterscheiden zwischen der Zeit vor Koch und der Zeit nach Koch. In der Zeit nach Koch spielen Fragen der politischen Moral keine Rolle mehr. Wenn die CDU auf der Suche nach dem kleinsten Nenner zu dem Ergebnis kommt, dass ein Politiker alles aussitzen kann, solange es strafrechtlich nicht verfolgt wird, dann erleben wir eine Erosion unserer Grundwerte und einen Vertrauensverlust in der Bevölkerung gegenüber der Politik insgesamt."