"Wenn es um den Schutz von Frauen und Kindern vor gewalttätigen Ehemännern und Partnern geht, dann dürfen keine Kompromisse gemacht werden.
In Gewaltsituationen ist es notwendig, dass der Täter aus der Wohnung gewiesen werden kann. Und dies ist auch mehr als nur gerecht, denn warum sollen Frau und Kinder aus der Wohnung flüchten? Die Opfer müssen nach einem tätlichen Angriff schon genug durchmachen. Das Verbleiben in ihrer gewohnten Umgebung kann ihnen ein wenig Stabilität bieten, die diese Frauen und ihre Kinder so dringend brauchen. Allein der gesunde Menschenverstand sagt einem doch, dass nicht das Opfer, sondern der Täter Nachteile durch die Gewalttat haben sollte.
Bisher konnte eine Wegweisung des – zumeist männlichen – Täters aus der Wohnung häufig nicht schnell genug umgesetzt werden. Und geschlagene Frauen brauchen umgehend Hilfe, es kann ihnen nicht zugemutet werden, dass sie erst noch einige Tage mit dem prügelnden Mann unter einem Dach leben. Das ist unzumutbar und kann für die Betroffenen sogar lebensgefährlich sein.
Hier gibt es einen Handlungsbedarf! Die rot-grüne Bundesregierung hat ihn erkannt und die Initiative ergriffen. Sie hat mit dem Entwurf des Gewaltschutzgesetzes eine eindeutige Position zum Schutz der Opfer von häuslicher Gewalt eingenommen. Nach dem Grundsatz "Der Schläger geht, die Geschlagene bleibt" wurden die Hürden, ab wann eine Wegweisung des Täters aus der gemeinsamen Wohnung möglich ist, deutlich gesenkt!
Die drei Eckpunkte des neuen Gesetzentwurfes sind:
1. Künftig können Zivilgerichte auch in Eilverfahren wirksame Schutzordnungen treffen, in denen sie den Peinigern bei Strafe verbieten, sich der Wohnung oder der Betroffenen zu nähern.
2. Die Geschlagene kann künftig auch per Eilanordnung leichter vor Gericht durchsetzen, dass ihr die gemeinsame Wohnung zeitlich befristet oder dauerhaft zur alleinigen Nutzung zugewiesen wird. Diese Regelung kommt besonders auch den Kindern der betroffenen Paare zugute. Die Möglichkeit der Zuweisung ist nicht mehr auf Ehewohnungen beschränkt, sondern gilt für alle auf Dauer angelegten häuslichen Gemeinschaften. Dies zeigt, dass die Bundesregierung den Wandel der Zeit erkannt hat und auch nichtehelichen und homosexuellen Paaren dieses wirkungsvolle Instrument zum Opferschutz zugesteht.
3. Ein weiterer Teil des Gesetzes verbessert den Schutz vor Psychoterror außerhalb von Partnerschaften in Form des sogenannten "Stalking", also bei Telefonterror und Nachstellungen, wie Bloßstellung am Arbeitsplatz oder am Wohnort. Bei solchen Belästigungen kann nun das Zivilgericht untersagen, sich der Wohnung oder der Betroffenen zu nähern, sie anzurufen oder sie anders zu belästigen. Ansonsten kann eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr verhängt werden.
Ich hätte wirklich gedacht, dass dieses Gesetz auf keinerlei besonderen Widerstände stößt, weil ein normales Gerechtigkeitsempfinden klar und deutlich signalisieren sollte, dass die genannten Maßnahmen gerecht sind und einen sinnvollen Schutz für die Opfer von Gewalt bieten können. Aber falsch gedacht! Innenminister Bouffier hat zwischen den Skandalen und Skandälchen in seinem Ministerium die Zeit gefunden, sich Gedanken zu dem Gesetzentwurf zu machen.
Und zu welchem Ergebnis kam er? Ende Oktober 2000 hat sich der Hessische Innenminister gegen eine Unterstützung der Bundesregelung zur Wegweisung gewalttätiger Personen aus der Wohnung ausgesprochen.
Diese Haltung ist für sich schon erstaunlich genug, war sie doch die erste Äußerung der Landesregierung zu dem Gewaltschutzgesetz.
Gut zwei Monate später hat sich dann endlich auch die Sozialministerin zu dem Gesetzentwurf geäußert. Im Widerspruch zu Herrn Bouffier hat Sozialministerin Mosiek-Urbahn den Gesetzentwurf der Bundesregierung per Pressemitteilung vom 8. Januar 2001 ausdrücklich begrüßt.
Ich frage nun die Landesregierung: Was ist denn nun ihre Haltung zum Gewaltschutzgesetz? Wann entscheiden sie sich denn, wie sie im Bundesrat abstimmen?
Lassen sie die Sozialministerin mal wieder im Regen stehen oder erklären sie dem Innenminister, dass es nach außen doch recht merkwürdig wirkt, wenn Hessen diesem Gesetz nicht zustimmt?
Ich bin ausnahmsweise ganz der Meinung von Ministerin Mosiek-Urbahn, dass die Bundesregierung mit dem Entwurf ein gutes Instrument zum Opferschutz vorgelegt hat. Ich wünsche ihnen, daß ihnen der Ministerpräsident hilft, sich mit dieser Meinung im Kabinett durchzusetzen. Auch die CDU-Bundestagsfraktion hat sich für die Unterstützung des Entwurfes ausgesprochen. Aber vielleicht ticken die Uhren bei der hessischen CDU ja wieder einmal anders!?
Ich fordere die Landesregierung auf, sich klar und deutlich für den Schutz von Frauen und Kindern vor prügelnden Männern auszusprechen und dem Gesetz im Bundesrat zuzustimmen. Der Innenminister ist dann gefordert, sich die Zeit zu nehmen und das Gewaltschutzgesetz durch Änderungen im hessischen Polizeigesetz zu unterstützen, damit die reibungslose praktische Umsetzung des Gesetzes gewährleistet wird. Und ich verspreche ihnen, Herr Bouffier, wir werden sehr sorgfältig prüfen, ob sie ihrer Aufgabe gerecht werden.
Eines allerdings möchte ich an dieser Stelle ganz unmissverständlich betonen. Auch in Zukunft, wenn das Gesetz in Kraft treten wird, brauchen wir weiterhin Frauenhäuser und andere Hilfsangebote für mißhandelte Frauen. Das neue Gewaltschutzgesetz macht die verschiedenen Anlaufstellen, die Frauen in Gewaltsituationen helfen noch lange nicht überflüssig.
Die Finanzierung von Frauenhäusern, Frauennotrufen und Beratungsstellen muß weiterhin sichergestellt werden. Jede Frau muß in ihrer individuellen Situation ein geeignetes Hilfsangebot auswählen können. In vielen Situationen ist eine Wegweisung des Täters aus der Wohnung ein geeignetes Instrument, aber manchmal ist der Schutz von Frauen mit ihren Kindern nur im Frauenhaus sichergestellt. Das muss im Einzelfall entschieden werden und von uns respektiert werden, damit die betroffenen Frauen durch ein vielfältiges Hilfsangebot unterstützt werden. Wir haben zur Zeit in Hessen noch eine vielfältige Beratungslandschaft und Frauenhäuser in unterschiedlicher Trägerschaft, die eine hervorragende Arbeit leisten, obwohl die äußeren Umstände immer schwieriger werden. Besonders für die kleinen freien Träger solcher Einrichtungen ist es existentiell wichtig, dass sie finanzielle Planungssicherheit haben.
Leider müssen wir zur Zeit erleben, dass unser rot-grünes Modell des Sozialbudgets – welches genau diese Planungssicherheit geboten hat – immer mehr zerstückelt wird. Nicht nur die Modellversuche in Groß-Gerau und Kassel, sondern auch Einsparungen im Sozialhaushalt können die vielfältige Hilfslandschaft für hessische Frauen in Not gefährden. Meine Bewunderung gilt den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den so wichtigen Einrichtungen, die trotz aller Widrigkeiten eine hervorragende Arbeit leisten. Hier ist die Landesregierung gefordert, diese Einrichtungen besser zu unterstützen. Unterstützung bedeutet zum einen finanzielle Planungssicherheit und zum anderen aber auch die Sicherstellung und Weiterentwicklung der bestehenden Standards der Hilfsangebote.
Und zur finanziellen Planungssicherheit gehört auch, dass wir zur Kenntnis nehmen, dass viele Frauenhäuser heute mit dem Rücken zur Wand stehen. Der Landeszuschuss ist über Jahre gleich geblieben – die Mitarbeiterinnen haben Tarifsteigerungen und Steigerungen durch Altersstufen – das führt zu realen Stundenkürzungen. Außerdem ist auch eine kinderpolitische Offensive nötig, denn die Kinderbetreuung in den Frauenhäusern wird überhaupt nicht vom Land finanziert – hier könnten sie einmal ein positives Signal setzen.
Es ist ja durchaus ehrenwert, dass die Sozialministerin laut Pressemitteilung vom 08.02.2001 eine Expertenrunde zum Schutz vor häuslicher Gewalt einrichten will. Aber ich befürchte, dass dies nur noch ein weiterer "runder Tisch" sein wird, dessen Vorschläge nicht in praktische Politik umgesetzt werden.
Sozialpolitik sollte mehr sein als eine Reihe schöner Worte, freundlicher Pressemitteilungen und eine Ansammlung von Expertenrunden. Sie sind jetzt bald zwei Jahre im Amt, aber bisher haben sie nicht viel geleistet, wenn es um die Umsetzung sozialpolitischer Konzepte ging. Sie haben bisher viel zum Abbau der Sozialpolitik in Hessen beigetragen. Ich nenne hier nur kurz die Verwässerung des ehemals so fortschrittlichen Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes und die Abfinanzierung des erfolgreichen Arbeitsmarktprogrammes "Arbeit statt Sozialhilfe".
Hoffentlich gelingt es ihnen wenigstens, die Schutzangebote für Frauen und Kinder in Not zu erhalten."