Kahl: Koalition beschließt den kommunalfeindlichsten Haushalt in der Geschichte Hessens

"Trotz Kleinreparaturen – der Haushalt 2001 bleibt kommunalfeindlich, unsolide und verspielt die guten Chancen für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Finanzpolitik. Regierungskunst ist nicht gerade das Markenzeichen dieser Landesregierung. Der krasse Unterschied zwischen flotten Sprüchen und tatsächlichem Handeln ist auch bei diesem Haushalt wieder offensichtlich geworden.

· Sie legen den kommunalfeindlichsten Haushaltsentwurf vor, den dieses Parlament jemals zu beraten hatte.

· Ihr Haushaltsentwurf ist ein Dokument der Verschleierung. Sie arbeiten mit geschönten Personalkosten-Zahlen, indem sie den personalintensiven Hochschulbereich einfach ausklammern und die Investitionsquote künstlich hochrechnen.

· Sie nutzen nicht die ihnen geradezu aufgedrängten Möglichkeiten zur Schuldensenkung – deutliche Senkung der Nettoneuverschuldung muss bei den günstigen Rahmenbedingungen das wichtigste finanzpolitische Anliegen einer nachhaltigen Finanzpolitik überhaupt sein.

· Sie tricksen und verschleiern, um über das tatsächliche Finanzierungsloch ihres Haushaltes hinwegzutäuschen, das in Wahrheit eine Milliarde größer ist.

· Ihre Haushaltsvorlage 2001 ist leider so schlecht, dass sie in Ihrem Auftrag an vielen Stellen von den Koalitionsfraktionen korrigiert werden muss.

Korrekturen und Reparaturen

110 Anträge der Koalitionsfraktionen zur zweiten Lesung, 50 zur Vorbereitung der 3. Lesung und 4 weitere Anträge der Koalitionsfraktionen heute zur 3. Lesung direkt, sind wahrlich keine Meisterleistung und einer sachbezogenen Haushaltsberatung, an deren Anfang das uneingeschränkte Lob der Fraktionen von CDU und FDP für den Entwurf der Landesregierung stand, nicht dienlich.

Noch vor der zweiten Lesung sprachen die Fraktionsvorsitzenden von CDU und FDP lediglich von zusätzlichen Akzenten oder punktuellen Verbesserungen. Die Realität der Haushaltsberatung beweist genau das Gegenteil. Schwach bleibt schwach.

Über die Vielzahl der Reparaturvorschläge im einzelnen zu sprechen würde den Zeitrahmen schlicht sprengen. Auch hier gilt wie bei vielen anderen Bereichen der Landespolitik: Sie können es schlicht nicht, oder: Chaos läßt grüßen!

Mit insgesamt 25 Mio DM beziffert die Koalition den Umfang ihrer Änderungsanträge. Wahrlich keine Meisterleistung, wenn man bedenkt, dass die Anträge unter dem selbstgewählten Titel "Bei großer Einigkeit werden richtige Schwerpunkte um zusätzliche Akzente ergänzt" eine große Erwartungshaltung erzeugt haben. Erschwerend kommt dabei aber hinzu, dass ein Großteil der Deckungsvorschläge schlicht unsolide ist. Diese verschlechtern den Haushalt noch zusätzlich.

Hier sollten sich die Koalitionsfraktionen ein Beispiel an den Haushaltsberatungen in Berlin nehmen. Trotz Schwerpunktsetzung konnte die Nettoneuverschuldung im Bundeshaushalt weiter reduziert werden, um damit einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige Finanzpolitik zu leisten.

Mogelpackung Zukunftsoffensive

Die Zukunftsoffensive wurde nach mehrmaligem Anlauf nunmehr durchgängig etatisiert. Von der eigentlichen selbstgesetzten Zielsetzung der Zukunftsoffensive "Vermögen gegen Vermögen" ist wenn man es sehr wohlmeinend betrachtet, höchstens ein kleiner Ansatz zu erkennen. In der Regel bedeutet sie Verkauf von Landesvermögen zur Finanzierung von Projekten, die eigentlich aus dem regulären Haushalt finanziert werden müßten. Vermögen kann man nur einmal verkaufen. In diesem Sinne ist diese Zukunftsoffensive im Kern eine strukturelle Verschlechterung der Haushaltsbedingungen für das Land Hessen.

Wiedereinstieg Helaba: Ja, so aber nicht!

Im Gewährträgervertrag haben das Land Hessen und auch Thüringen bei zentralen Entscheidungen Vetorechte, die sonst nur bei deutlich höherer Beteiligung möglich sind. Ob dies bezüglich der Aufteilung der Gewährträgerschaft so berechtigt ist, ist nicht nur eine offene Frage an die Sparkassenaufsicht. Grundsätzlich geht es dieser Landesregierung dabei auch um personalpolitische Einflussnahme. Sowohl bei der Besetzung des Verbandsvorsitzenden als auch des Vorstandschefs der Heleba hat dieser Ministerpräsident zwei Bauchladungen hintereinander erlebt.

Weder der Verband noch die Bank dürfen eine Spielwiese für parteipolitische Einflußnahme des CDU-Landesvorsitzenden sein. Wir brauchen eine Zukunftssicherung des öffentlich-rechtlichen Sparkassenwesens mit dem strukturpolitisch wichtigen Regionalprinzip und eine Landesbank, die für die Länder Hessen und Thüringen eine zukunftsorientierte Infrastrukturpolitik mitgestaltet.

Hilfe des Bundes für Hessen

Änderungen im Haushalt, die zusätzliche Programme des Bundes aufgreifen, haben unsere Zustimmung gefunden. Im Rahmen der Städtebauförderung hat der Bund die Mittel aufgestockt. Auch von dem neuen Bundesprogramm für die Berufsschulen wird das Land Hessen profitieren. Neben der Aufstockung der Mittel in den Gemeinschaftsinitiativen sowohl in der regionalen Wirtschaftsstruktur als auch im Landwirtschaftsbereich, die schon im Entwurf eingearbeitet waren, profitiert das Land von der Finanzpolitik des Bundes, die Einmalerlöse zur Schuldensenkung und die Zinseinsparung für wichtige Zukunftsprogramme einsetzt.

Klare Alternative: SPD-Schwerpunktprogramm "Brücke zur Zukunft"

Die SPD-Fraktion hat mit ihren Änderungsanträgen einerseits wichtige Schwerpunkte für eine zukunftsorientierte Landespolitik gesetzt und anderseits im Interesse einer soliden Finanzpolitik entsprechende Deckungsvorschläge erarbeitet.
Diese Programm unter dem richtungsweisenden Titel "Brücke zur Zukunft" wurde von der Mehrheit schlicht abgelehnt. Mit diesem solide finanzierten Programm haben wir unsere inhaltlichen Alternativen zur Politik der Landesregierung klar umrissen:

· Verbesserung der Ausstattung der Schulen

· Ausweitung des Betreuungsangebotes

· Einstieg in Ganztagesangebote und

· Akzentsetzung in der Erwachsenenbildung

sind Kernpunkt einer sozialdemokratischen Bildungspolitik.

· Aktive regionale Arbeitsmarktpolitik

· Arbeit statt Sozialhilfe

· Wiederaufstockung der investiven Mittel für Alteneinrichtungen und

· Abbau des Investitionsstaus in der Krankenhausfinanzierung

sind die Hauptziele für unseren politischen Schwerpunktbereich Arbeit und Soziales.

In der Umweltpolitik, der bei dieser Landesregierung, wie die Sozialpolitik, ein Schattendasein führt, heißen unsere Schwerpunkte

· Energiesparprogramm

· Altlastensanierung

· Kulturlandschaftsprogramm

· Abwasserbeseitigung und

· Sonderprogramm zur Kanalnetzsanierung.

Chancen verspielt!

Die Regierungsfraktionen haben die Chance verpaßt, in den Haushaltsberatungen die grundsätzlichen Defizite und Fehlentwicklungen zumindest in Ansätzen zu korrigieren, wenn wir einmal von der Teilreparatur des Programmes Einfache Stadterneuerung im Kommunalen Finanzausgleich absehen.

Hier sind sie zwar auf unsere Linie eingeschwenkt, jedoch nur halbherzig und nicht mit letzter Konsequenz. Sie finanzieren die 5 Mio DM zur Fortführung des Programms durch die Kürzung von 10 Mio DM beim Krankenhausinvestitionsprogramm und verschärfen dort den Investitionsstau. Im übrigen ist ihre Vorgehensweise bei der einfachen Stadterneuerung eine Befrachtung des KFA.

Konkrete Schritte zu einem ausgeglichenen Haushalt sind in der mittelfristigen Finanzplanung leider nicht vorhanden. Lediglich in den Reden wird ein ausgeglichener Haushalt für das Jahr 2008 anvisiert. Dies ist für das wirtschaftsstarke Hessen alles andere als eine Meisterleistung.

Personalkosten-Konzept unzureichend!

Bei den Personalkosten gilt leider weiter das Prinzip der Verschleierung. Wir streiten nicht über eine sinnvolle Personalkostenbudgetierung. Hier gibt es richtige und wichtige Ansätze. Nur eines ist auch klar: Die Einsparung durch die Budgetvorgabe in Höhe von 240 Mio DM wird leider von den Personalmehrkosten in Höhe von rund 350 Mio DM übertroffen.

So richtig die zusätzliche Einstellung von Lehrern zur Verbesserung der Unterrichtsabdeckung auch ist, so muß aber auch deutlich darauf hingewiesen werden, dass für die daraus resultierenden Folgekosten keinerlei Vorsorge getroffen worden ist. Pensionslasten werden für die Zukunft weiter drastisch steigen. Dies wurde noch zusätzlich durch die von der Kultusministerin geförderte Frühpensionierungswelle gesteigert.

Durch den Wiedereinstieg in die Helaba wird die Investitionsquote des Landes geschönt. Real wird die Investitionsquote sinken. Dies ist keine gute Perspektive für die hessischen Bauwirtschaft und für die Sicherung der Arbeitsplätze

Strukturelles Defizit Hypothek auf die Zukunft!

Das strukturelle Defizit des kommenden Haushaltsjahres liegt bei rund 2,3 Milliarden DM, darüber kann auch Ihre Beschwörung der Nettoneuverschuldung von 1,3 Milliarden DM nicht hinwegtäuschen. Eigentlich liegt es noch um 100 Mio DM höher, denn die 100 Mio,die sie den Kommunen systemwidrig entziehen, muss noch hinzugerechnet werden.

Durch Einmalerlöse von über einer Milliarde, wie dem Verkauf von Landesvermögen und dem Auflösen von Rücklagen, versuchen sie dieses Defizit zu verschleiern und verschieben die strukturellen Probleme in die Zukunft. In diesem Zusammenhang von der geringsten Nettoneuverschuldung seit Jahren zu sprechen, ist schlichte Rosstäuscherei.

Fortdauernde Kommunalfeindlichkeit !

Ich komme auch zur 3. Lesung nicht umhin, auf den kommunalfeindlichen Charakter ihrer Finanzpolitik einzugehen. Das Bemerkenswerte ist im Grunde gar nicht so sehr die Haltung dieser Landesregierung, die wir seit Amtsantritt hier leider schon ausführlich, und nicht nur zum Haushalt, diskutieren mussten, sondern das Bemerkenswerte ist die Unverfrorenheit, mit der sie über den Landeshaushalt in die Finanzhoheit der Kommunen eingreifen.

Nach der Streichung von mehr als 100 Millionen für die Kindergärten und die Einfache Stadterneuerung im vergangenen Haushalt, setzen sie mit ihrer als "Solidarbeitrag" verharmlosten Kürzung kommunaler Gelder jetzt dem Ganzen die Krone auf. Es kommen hinzu die deutliche Senkung der Mittel für die Abwasserbeseitigung um ca. 40 Millionen, das Auslaufen des Programmes "Arbeit statt Sozialhilfe", die Vorfinanzierung des Landesstraßenbaues, die weitere Absenkung der investiven Mittel für die kommunale Altenpflege und die langfristige Vorfinanzierung von Brandschutzmaßnahmen.

Insgesamt entziehen sie den hessischen Städten, Gemeinden und Landkreisen bis zum Jahr 2003 800 Millionen DM. Dies zusammen genommen ist die Verabschiedung von CDU und F.D.P. aus der Partnerschaft des Landes Hessen mit seinen Städten und Gemeinden, und die von diesen auch so gesehen wird.

Gute Rahmenbedingungen aus Berlin nicht genutzt!

Durch die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung und eine erfolgreiche Steuerreform haben sich die finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen erheblich entspannt. Die letzten Steuerschätzungen belegen dies nachdrücklich.

Bei der Steuerrefom hat diese Landesregierung eine reine Blockadehaltung eingenommen. Ich fordere Sie auf, bei der Entscheidung über die Entfernungspauschale nicht wieder in einer reinen Verweigerungshaltung zu verharren. Auch hessische Pendler brauchen diese Entlastung.

In einer Phase von deutlichem wirtschaftlichen Wachstum, einer erheblichen Reduzierung der Arbeitslosigkeit und gestiegenem Steueraufkommen, alles positive Vorlagen der Bundesregierung, erreichen sie mit diesem Haushalt keine finanzpolitische Entlastung, sondern verschärfen die Probleme. Dies ist und bleibt der zentrale Kritikpunkt an ihrem Haushalt.

Weil dieser Haushalt mehr Problem schafft als löst und damit kein konstruktiver Beitrag für eine Verbesserung der Zukunftsfähigkeit des Landes ist, müssen wir dieses Haushaltsgesetz und das kommunalfeindliche Finanzausgleichsänderungsgesetz ablehnen."