"Über das Tierkörperbeseitigungsgesetz, vor allem in dem Punkt der Drittellösung zur Kostenentlastung der hessischen Landwirte ist hier in diesem Hause oft und viel gestritten worden. Deshalb halte ich fest: Um die Drittellösung gibt es vom Grundsatz her keinen Dissens.
Mit Bedauern haben wir allerdings zur Kenntnis nehmen müssen, dass sie unserem Anliegen, welches wir aus der Anhörung abgeleitet haben, nur halbherzig gefolgt sind. Bei der Zusammensetzung des 9-köpfigen Verwaltungsrates sind die Lobbyisten des Hessischen Bauernverbandes voll auf ihre Kosten gekommen. 5 Vertreter der berufsständigen Organisation stehen den übrigen 4 Vetretern gegenüber. Sie haben zwar unseren Vorschlag übernommen, dass die Anzahl der Vertreter aus den Gebietskörperschaften von 1 auf 2 erhöht wird, schwächen aber gleichzeitig den Einfluss des Landes, indem sie dazu einen Vertreter aus der Landwirtschaftsverwaltung an die kommunalen Seite abgeben. Das heißt, die Vertreter der Bauern werden mit ihrer Mehrheit die Beschlüsse im Verwaltungsrat, so z.B. den Haushaltsplan, die Beitragssatzung und die Leistungen der Tierseuchenkasse bestimmen.
Der zweite kritische Punkt ist: Mittlerweile zwingt uns die BSE-Krise zu völlig neuen Rahmenbedingungen der Tierkörperbeseitigung. Der Gesetzentwurf, so wie er im August ins Verfahren gebracht wurde, ist dadurch völlig obsolet geworden sind.
Das Verfüttern des Wirtschaftsgutes Tiermehl ist verboten. Da aber die Frage der Entsorgung ungeklärt ist, wird Tiermehl weiter produziert. Die Folge: die Lager laufen über.
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Ungeklärt ist auch, ob zukünftig weiterhin die Schlachtabfälle und gefallene Tiere zu Tiermehl verarbeitet werden müssen, oder ob völlig neue Entsorgungswege entwickelt werden müssen. Werden die beiden Tierkörperbeseitigungsanlagen in Hessen überhaupt Bestand haben können?
Eines ist jedoch klar: Die Kosten der Tierkörperbeseitigung werden ansteigen. Der Bund schätzt die Entsorgungskosten auf 1 – 1,7 Mrd. Minister Dietzel nennt für Hessen 10 Mio DM.
Wir haben ihnen schon immer gesagt: Ihre Kostenschätzung im Gesetzentwurf ist nicht seriös, weil Sie die Sonderbehandlung des Risikomaterials nicht seriös berechnet haben! Jetzt ist es erst recht unmöglich, eine genaue Kostenangabe zu machen.
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Hinzu kommt: Niemand konnte im Ausschuss sagen, ob das Tiermehl nach dem Abfallentsorgungsgesetz als "Abfall zur Verwertung" gilt und damit als Wirtschaftsgut gehandelt werden kann oder ob es gar Sonderabfall ist.
Ich hatte den Versuch unternommen, dass sich die Fraktionen auf ein Moratorium einigen. Zumindest so lange, bis die drängenden Fragen der zukünftigen Tierkörperbeseitigung beantwortet werden können.
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Leider sind CDU und FDP diesem Vorschlag nicht gefolgt. Sie wollen das Gesetz verabschieden, obwohl auch Sie im Nebel stochern. Wir erwarten von einer Regierungskoalition verantwortlicheres Handeln.
Darüber hinaus erwarten wir von der Landesregierung, dass sie sich an der Diskussion und Konzeption einer Neuorientierung der Agrarpolitik beteiligt. Systembewahrer haben ausgedient. Das betrifft auch diejenigen, die bisher Lobbyisten für ein bestimmtes Klientel waren.
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Nur eine völlig neue Basis kann den Vertrauensverlust der Verbraucher wieder aufbauen. Das bedeutet, dass das bisherige Subventionssystem geändert wird und an verschärfte Auflagen geknüpft wird. Fördermaßnahmen müssen Umweltmaßnahmen belohnen und artgerechte Tierhaltung berücksichtigen.
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Wir erwarten, dass Hessen auch jetzt eine Vorreiterrolle einnimmt. Wir erwarten, dass Hessen sich im Bundesrat entsprechend einbringt. Letztendlich geht es natürlich auch um das Ziel, Marktanteile zu halten und die bäuerliche Strukturen im ländlichen Raum zu bewahren.
Nur wenn wir die BSE-Krise als Chance wahrnehmen, wird es einen Neuanfang geben.
Setzen Sie also nicht vorschnell ein Gesetz in Kraft, was Sie in Teilen vielleicht in 4 Wochen schon wieder verändern müssen. Wir brauchen Zeit für die Klärung vieler offener Fragen."