Clauss und Walter: CDU-Schwarzgeldskandal liegt seit einem Jahr wie ein Schatten über dem Land

"Seit einem Jahr liegt der CDU-Schwarzgeldskandal wie ein Schatten auf unserem Land", sagten am Dienstag in Wiesbaden der SPD-Fraktionsvorsitzende im Hessischen Landtag, Armin Clauss, und der sozialdemokratische Obmann im Schwarzgelduntersuchungsauschuss, Jürgen Walter, vor der Presse. "Mit dem vergeblichen Versuch, den Schwarzgeldskandal auszusitzen, hat Roland Koch dem Land schwer geschadet. Der Ruf unseres Bundeslandes ist weit über die Landesgrenzen hinaus beschädigt worden, weil an der Spitze der Regierung ein überführter Lügner steht, der seine politische Verantwortung ignoriert und die bislang geltenden Regeln von Demokratie und politischem Anstand verletzt."

"Roland Koch gilt nicht mehr als ehrlicher Mensch", sagte Clauss. Den Makel der Unehrlichkeit könne der hessische Regierungschef nicht abstreifen. Auch wenn zunehmend deutlicher werde, dass Roland Koch versuche, die Geschichte des Schwarzgeldskandals genauso zu verfälschen wie den von ihm unterschriebenen Rechenschaftsbericht 1998. "Es ist eine unsägliche Geschichtsklitterung, wenn Roland Koch sich jetzt als das Opfer der Medien und der Opposition darstellt. Er ist Opfer seiner eigenen Unwahrhaftigkeit und seines völligen Versagens als CDU-Landesvorsitzender geworden."

Die Unwahrhaftigkeit Kochs sei zum Jahreswechsel 1999/2000 überdeutlich geworden. Roland Koch habe höchtspersönlich daran mitgewirkt, ein nicht existentes Darlehen zu erfinden und zurück zu datieren, um ein Schwarzgeldkonto zu tarnen. Roland Koch persönlich habe darüber zunächst die eigenen Wirtschaftsprüfer getäuscht, die ansonsten kein Testat erteilt hätten. Anschließend habe er den Bundestagspräsidenten in die Irre geführt und schließlich über Wochen hinweg die Öffentlichkeit belogen. Die Lügen auf ihre Spitze getrieben habe er nach der Offenbarungs-Pressekonferenz von Manfred Kanther vom 14. Januar. Über Wochen verbreitete er die Legende, er selbst sei getäuscht worden; das angebliche Wittgenstein-Darlehen sei bereits im Februar 1998 hinter seinem Rücken ausgetüftelt worden. "Roland Koch wusste in der ganzen Zeit, dass er selber an diesem Lügengebäude mit gebaut hat", so die SPD-Politiker.

Roland Kochs Versagen als Landesvorsitzender, für das er bislang nicht den Hauch politischer Verantwortung übernommen habe, zeige sich in den dubiosen Finanzvorgängen seiner Amtszeit:

· Kochs Landtagswahlkampf wurde zu mehr als einem Drittel aus Schwarzgeldkassen beglichen.

· Die CDU-Landesgeschäftsstelle war eine florierende Fälscherwerkstatt.

· Aufträge im Wert von Hunderttausenden DM wurden über Schwarzgeldkonten abgewickelt.

· Mitten in der angeblichen Aufklärung wurde dubioses Geld als angebliche Spende von Mitarbeitern verbucht.

· Unter den Augen Kochs wurden ein schwarzes Kassenbuch vernichtet und Belege gefälscht.

· Bereits im Oktober 1999 war in der CDU-Landesgeschäftstelle bekannt, dass bei Weyrauch und Kapp Treuhandanderkonten für die Hessen-CDU geführt wurden.

"Dafür würde jeder anständige Parteivorsitzende die Verantwortung übernehmen."

Als besonders schwerwiegend an dem einjährigen CDU-Schwarzgeldskandal werteten Clauss und Walter, dass dabei der Konsens der Demokraten vor die Hunde gehe. So sei es früher undenkbar gewesen, dass eine Landesregierung gegen ihre eigene Verfassung vor dem Bundesverfassungsgericht klage. Es sei undenkbar gewesen, dass eine Landesregierung über Monate hinweg, Untersuchungsausschüssen oder dem Wahlprüfungsgericht die notwendigen Akten vorenthalte. Es sei undenkbar gewesen, dass permanent in der Verfassung geregelte Minderheitenrechte mit den Füßen getreten werden, um die Aufklärung zu behindern.

Dass die FDP für dieses undemokratische Verhalten die Hand reiche, sei ein Zeichen ihres Niederganges als Rechtsstaatspartei.

Walter und Clauss zogen eine positive Bilanz der Arbeit des Untersuchungsausschusses. Der Untersuchungsausschuss habe viele Sachverhalte ermittelt, trotz des Blockadeversuchs der Landesregierung. Ohne den Untersuchungsauschuss säßen der verstummte Glücksfall Müller und Staatsminister Jung noch in ihren Ämtern. "Jung musste zurücktreten, nachdem tags zuvor im Untersuchungsauschuss enthüllt wurde, dass in seiner Amtszeit als Generalsekretär wesentlich mehr Schwarzgeld geflossen ist, als zunächst zugegeben wurde."

Als weitere wichtige Ermittlungsergebnisse der Ausschussarbeit erwähnte Walter die folgenden Punkte:

· Es sei deutlich geworden, dass Roland Koch die Wirtschaftsprüfer getäuscht habe. Sie hätten das Testat für seinen Rechenschaftsbericht 1998 verweigert, wenn die Wirtschaftsprüfer das gewusst hätten, was Roland Koch zum Jahresende 1999 bereits wusste.

· Es sei deutlich geworden, dass Roland Koch die Staatsanwälte im laufenden Ermittlungsverfahren in die Staatskanzlei einbestellt habe, um ihnen falsche Informationen zu übergeben.

· Schließlich sei die Legende zusammengebrochen, wonach die CDU 1983 legal erworbenes Vermögen ins Ausland gebracht habe. "Heute wissen wir, dass dies eine Schutzbehauptung von Roland Koch war, um das Geld auch künftig im politischen Kampf einsetzen zu können. In Wahrheit stammt das Geld aus dubiosen Quellen, mit Sicherheit überwiegend aus Umwegfinanzierungen und damit aus Steuerhinterziehung", so Walter. Schließlich habe die Hessen-CDU offenkundig sogar über eine eigene Geldwaschanlage verfügt.

· Der Untersuchungsausschuss habe auch die Erkenntnis gebracht, dass der CDU-Landesvorsitzende Wallmann, die ehemalige Frankfurter CDU-Vorsitzende und Oberbürgermeisterkandidatin Petra Roth, der CDU-Landesschatzmeister Wilhelm Küchler und andere ihre Aufgaben in unverantwortlicher Art und Weise missachtet hätten, was die illegalen Finanzpraktiken erst möglich gemacht habe. "Sie haben mit vollen Händen Geld ausgegeben – angeblich ohne sich um die Deckung Gedanken gemacht zu haben."

· Schließlich habe der Untersuchungsausschuss erbracht, dass die Hessen CDU schon unter Manfred Kanther aufgehört habe, demokratisch zu funktionieren. In der Partei hätten sich Strukturen gebildet, die Machtausübung und Finanzstrukturen außerhalb jeder demokratischen innerparteilichen Kontrollen ermöglicht hätten.

· Die gestrige Sitzung habe ergeben, dass in der Landesgeschäftsstelle viel früher als bislang zugegeben ein bei Weyrauch und Kapp geführtes Treuhandanderkonto bekannt gewesen sei. "Damit ist einmal mehr klar geworden, dass Roland Koch schon am 16. Dezember 1999 den Landtag schwer getäuscht hat."

"Angesichts der Tatsache, dass wir noch immer nur ein Bruchteil der Akten haben, sind wir mit den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses sehr zufrieden", sagte Walter. Roland Kochs angeblich brutalstmögliche Ermittlungen hätten sich inzwischen als Beitrag zur Legendenbildung und zur Desinformation herausgestellt.

Inzwischen sei auch aufgeflogen, was die CDU als schützenswerte Information aus ihrem "Intimbereich" betrachte. "Die CDU hat Akten zurückgehalten, um die Schwarzgeldfinanzierung des Landtagswahlkampfs und insbesondere der Kampagne zur doppelten Staatsbürgerschaft zu verheimlichen. Die CDU hat keinen schützenswerten Intimbereich, sie hat nur keine Schamgrenze."