"Die Noch-Regierungsparteien haben die Messlatte mit dem Wahlversprechen der Unterrichtsgarantie so hoch gelegt, dass Sie nunmehr die Erwartungen, die Sie mit diesem Versprechen geweckt haben, offensichtlich nicht erfüllen können. Die von Ihnen im Haushaltsplan vorgesehenen Mittel und Stellen reichen nicht aus, um die Anforderungen, die an Schule im Jahr 2001 gestellt sind, erfüllen zu können.
Wir gehen mit unseren Anträgen ein Stück weiter. Wir wollen nicht nur zusätzliche Finanzvolumina zur Verfügung stellen, sondern wir wollen konzeptionell Schule weiterentwickeln, denn genau auf diesem Gebiet versagen Sie völlig.
Sie haben kein Konzept wie Schule zu Beginn des neuen Jahrtausends auf die veränderten Anforderungen der Gesellschaft, auf die gestiegenen Erwartungen, die an die künftigen Generationen gestellt sind, entsprechend reagieren muss.
Es kommt hinzu, dass Sie zwar zusätzliche Stellen im Haushalt ausweisen, diese aber z.T. gar nicht besetzen können, weil das Personal dafür fehlt. Sie müssen öffentlich eingestehen, dass Sie im Bereich der Sonderschulen, im Bereich der Beruflichen Schulen, in bestimmten Fächern, wie z.B. Naturwissenschaften und Englisch, im Bereich der Haupt- und Realschulen Stellen nicht besetzen können. Frau Ministerin: Sie arbeiten mit geschönten Zahlen, Sie arbeiten mit schön gerechneten Statistiken. Die Schulwirklichkeit sieht anders aus, als Sie ihr Wolkenkuckucksheim gerne beschreiben. Die Knabenmorgenblütenträume des Roland Koch von der Unterrichtsgarantie verwelken und zurück bleibt die bittere Erkenntnis der Wählertäuschung.
Ein weiterer Kritikpunkt: Was wir in den anderthalb Jahren Ihrer Regierung mehrfach zu kritisieren hatten, wiederholt sich auch bei diesem Haushalt. Sie sind nicht in der Lage handwerklich korrekt und solide zu arbeiten. Erneut waren Teile des Haushaltes nicht beratungsfähig. Sie haben eine Strukturreform im Bereich der Studienseminare, der Wissenschftlichen Prüfungsämter und der Staatlichen Schulämter, sowie auch der Lehrerfortbildung auf den Weg gebracht. Sie waren nicht in der Lage bisher im Ausschuss über dieses Konzept zu berichten. Sie waren nicht in der Lage, rechtzeitig dieses Konzept in die Haushaltsberatungen einzubringen. Mit heißer Nadel wurden dann zunächst lediglich Stellenumbesetzungen mitgeteilt und in der letzten Woche kam dann kurzfristig ein Bündel von Gesetzesänderungen durch die beiden Regierungsfraktionen in den Geschäftsgang.
Im Hau-Ruck-Verfahren sollen nun eine ganze Reihe von Gesetzen als Artikelgesetze zum Haushalt geändert werden, ohne dass dazu auch nur ein Mindestmaß an Beratungszeit eingeräumt werden kann und ohne, dass das inhaltliche Konzept seitens des Ministeriums sichtbar ist. Dies zeigt erneut, Frau Ministerin, dass Sie nicht in der Lage sind, solides Regierungshandeln zu praktizieren. Sie arbeiten offensichtlich lieber mit warmen Worten statt mit soliden Taten.
Ich darf an dieser Stelle auf einzelne Kürzungsmaßnahmen eingehen, die unverantwortlich sind und die jegliche Sensibilität für politische Verantwortung vermissen lassen.
· Ich weiß nicht, wie Sie begründen wollen, dass die Förderung der christlich-jüdischen Zusammenarbeit von Ihnen im Haushaltsansatz reduziert wurde. Dabei geht es nicht um gewaltige Summen, um die man streiten müsste. Hier geht es jedoch darum, dass hier zur falschen Zeit ein völlig falsches Signal gesetzt wird.
· Im Unterschied zur Regierung wollen wir auf dem Feld der politischen Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus ein zusätzliches Zeichen setzen. Wir wollen die Schulsozialarbeit und die politische Bildung inhaltlich und organisatorisch stärken und mit zusätzlichen 5 Millionen DM ausstatten, um möglichst frühzeitig den ideologischen Sumpf auszutrocknen, aus dem demokratie- und ausländerfeindliche, auch antisemitische Strömungen entstehen. Das ist ein wirkungsvoller Beitrag zur politischen Bekämpfung des Extremismus, aus vielerlei Gründen gut angelegtes Geld für eine Zukunft des inneren Friedens, der Toleranz und der Achtung der Grundwerte für alle Menschen, die in Deutschland, die in Hessen leben.
· Die gleiche mangelnde Sensibilität legen Sie erneut an den Tag, wenn Sie wiederum, wie im letzten Haushalt auch, die Mittel für die Deutsche Blindenstudienanstalt in Marburg zusammenstreichen. Wir wissen, dass deren Aufgabe notwendig ist, damit unsere blinden Mitbürgerinnen und Mitbürger teilhaben können an kultureller Weiterentwicklung, teilhaben können auch an den modernen Neuen Medien. Wir wollen, dass sie teilhaben, deshalb ist die Aufstockung der entsprechenden Haushaltsstelle notwendig.
· Nun zum Bereich der Erwachsenenbildung: Mehr als 6 Millionen DM enthalten Sie den Organisationen der Erwachsenenbildung, im Vergleich zu unserem letzten Haushalt von 1999, weiterhin vor. Wenn es richtig ist, dass lebensbegleitendes Lernen immer wichtiger wird, wenn es richtig ist, dass lebensbegleitendes Lernen nicht zu einem Privileg des Geldbeutels werden darf, wenn es richtig ist, dass immer mehr Menschen auf immer mehr Weiterbildung angewiesen sind, wenn es richtig ist, dass immer mehr Menschen über die ökonomische kurzfristige Verwertbarkeit von Bildung hinaus, angewiesen sind auf gesellschaftspolitische, auf philosophische, auch auf ästhetische und persönlichkeitsbildende Weiterbildungsmaßnahmen, dann haben die Organisationen der Volkshochschulen und der Freien Träger hier einen wichtigen und unverzichtbaren Platz in unserer Struktur der Bildungseinrichtungen.
Ich darf dann zum Kernbereich der Schulpolitik kommen. Wir wollen, dass der Lehrerberuf attraktiv bleibt. Wir wollen die Gewinnung des Lehrernachwuchses entsprechend forcieren. Wir sind angewiesen darauf, dass junge Menschen sich wieder verstärkt dem Lehrerberuf zuwenden, weil in bestimmten Bereichen bereits jetzt absehbar ist, dass wir nur mit großem öffentlichem Engagement dafür genügend Interessierte finden werden.
Wenn ich mir dazu Ihre Haushaltsansätze im Bereich der Studienseminare anschaue, so erweist sich, dass Sie nicht in der Lage sind, dieses Problem offensiv und handwerklich solide zu lösen. Obwohl mehr Referendare in den Studienseminaren ankommen, stocken Sie die Etats nicht auf. Die Studienseminare klagen über mangelhafte Ausstattung im sächlichen Bereich, ihre Bibliotheken sind nicht auf dem neuesten Stand, die Ausstattung mit Computern ist immer noch mehr Zufälligkeiten überlassen, denn einer planvollen und systematischen Unterstützung durch diese hessische Landesregierung.
Immer mehr Referendarinnen und Referendare sind angewiesen auf Nebenjobs, weil sie zusätzliches Geld in ihre Ausbildung stecken müssen, gerade auch aufgrund der nicht auskömmlichen Ausstattung in den Seminaren. Dies ist wahrlich kein Beitrag zur Gewinnung von engagierten und leistungswilligen jungen Menschen, die den Lehrerberuf anstreben. Hier bedarf es schneller und effizienter Handlungsansätze statt Ihrer Schönbeterei.
Nun zum Kapitel "Ideologie": Den Gesamtschulen wird erneut der ideologische Kampf angesagt. Sie wollen die Stellen der Pädagogischen Leiter mit einem KW-Vermerk versehen. Sie wollen die Funktionsstellen streichen, welche die Gesamtschulen in ihrer inneren Struktur voranbringen und die notwendige pädagogische, innovative und kooperative Arbeit leisten. Sie hängen fest an Ihrem ideologischen Ansatz des dreigliedrigen Schulsystems und tun alles, um die Gesamtschulen in ihrem Selbstverständnis zu bekämpfen. Dies begann mit der Novellierung des Schulgesetzes, setzt sich fort mit den schulformbezogenen Lehrplänen und nunmehr mit dem Streichen dieser Stellen.
Wir wollen den Fortbestand unserer Gesamtschulen mit eigenem pädagogischem Profil, wir wollen die Vielfalt hessischer Schulen und damit auch Wahlmöglichkeiten der Eltern und der Schüler gewährleisten und sichern. Dies setzt voraus, dass die Gesamtschulen ihren originären Bildungsauftrag erfüllen können, deshalb bekämpfen wir vehement diese Absicht, die Stellen der pädagogischen Leiter in Zukunft wegfallen zu lassen. Wir werden dies in der Regierungsverantwortung wieder ändern.
Abschließend möchte ich zu den Schwerpunkten kommen, die wir in der Schulpolitik neu setzen wollen und die in unseren Anträgen deutlich werden:
– Wir wollen unsere Schulen weiterentwickeln hin zu mehr Ganztagsangeboten, auch Schulen unterstützen und begleiten, die sich auf den Weg machen zu Ganztagsschulen in der gebundenen Form. Dazu sind wir bereit, mit den Schulträgern und gemeinsam mit den Jugend- und Sozialhilfeträgern, Konzepte zu entwickeln. Wir wollen dabei die Schulprogrammarbeit der Einzelschule und ihre Eigenverantwortung stärken.
· Wir wollen Schulen öffnen, wir wollen gemeinsam als Land mit Freien Trägern, wir wollen mit Vereinen und Verbänden, mit der Wirtschaft, mit dem Sport, mit sozialen- und karitativen Verbänden die Nachmittage an unseren Schulen ausgestalten.
· Wir wollen mehr Zeit zum Lernen bereitstellen. Wir wollen dass neue Formen des Lernens geübt werden können, wir wollen Zeit zum vertiefenden Lernen haben, Zeit zum projektorientierten Lernen haben. Wir wollen, dass alle Schüler mit ihren unterschiedlichen Begabungen gefördert werden, dass die sozial Schwachen, die keine anregenden Milieus haben, sozial integriert werden. Wir wollen die Ausbildungs- und die Berufsfähigkeit aller Schülerinnen und Schüler stärken. Wir wollen eine präventive Schulsozialarbeit machen, die Karrieren verhindert, die sehr schnell beim Sozialamt und beim Jugendgericht landen. Wir wollen, dass Hochbegabte zusätzliche Angebote bekommen, um ihre Talente entfalten und verstärken zu können. Wir wollen, dass Schule mehr ist als nur eine Anstalt, die vormittags Wissen vermittelt. Schule im Jahr 2001 hat neue, hat zusätzliche Aufgaben zu bewältigen. Diesem Anspruch stellen wir uns, dafür nehmen wir Mittel in die Hand.
· Wir wollen, dass unsere Schulen Antworten geben auf die Fragen unserer Zeit, auf die Erwartungen, die an die nächste Generation gestellt sind, dass Schulen Antworten geben auf veränderte Kindheit, veränderte familiäre und gesellschaftliche Situationen, dass Schulen Antworten geben für qualifizierte junge Mütter, die sich nicht zwischen Karriere und Familie alternativ entscheiden sollen, sondern dass beides zugleich möglich sein muss: Berufliche Karriere und Familie. Wir wollen, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie kein uneingelöstes Versprechen bleibt, sondern wir wollen durch praktische Politik genau diese Vereinbarkeit in unserem Land voranbringen. Und wir wollen, dass möglichst alle Schülerinnen und Schüler zusätzliche Förder-, und Lernangebote erhalten. In den Naturwissenschaften, in den Fremdsprachen, in der musisch-ästhetischen Grundbildung und besonders im Umgang mit den Neuen Medien. Dazu braucht man mehr Zeit, dazu muss Schule zusätzliche Angebote machen. Dies werden wir leisten , weil wir eine neue Qualität des Bildungsauftrags für unsere Schulen auf den Weg bringen werden, und dies werden wir durch zusätzliche Finanzmittel in den Haushalten entsprechend darstellen.