"Mit diesem Papier wollen wir die berufliche Bildung stärker in den Mittelpunkt der schulpolitischen Debatte bringen, den Reformbedarf aufzeigen und die notwendigen konzeptionellen Schritte skizzieren", erläutere Quanz. Damit werde der Perspektivlosigkeit der Landesregierung in einem ersten Bereich der Bildungspolitik eine klare programmatische zentrale Alternative entgegen gesetzt, weitere würden folgen, kündigte Quanz an.
Ergänzend wies er darauf hin, dass der kontinuierliche Ausbildungsplatzmangel der letzten Jahre und der Attraktivitätsverlust der beruflichen Bildung gegenüber Gymnasium und Hochschule Kennzeichen einer Krise des dualen Berufsausbildungssystems seien. Um das duale System dauerhaft zu sichern, müsse eine qualitative und quantitative Weiterentwicklung und Modernisierung der Berufsausbildung vorangetrieben werden.
"Wir werden mit Konzepten für eine Schulpolitik mit Zukunft und nicht mit markigen und letztlich gebrochenen Wahlversprechen um Zustimmung zu ihrer Politik werben", unterstrich Quanz mit Blick auf die bildungspolitischen Fehlleistungen der Regierung Koch.
Die SPD-Fraktion suche dazu das Gespräch mit Expertinnen und Experten sowie den Betroffenen, um das Positionspapier breit zu diskutieren und weiter zu entwickeln.
Der berufschulpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Bernd Riege, und der stellvertretende Landesvorsitzende der AfB, Günther Häfner, fassten die wesentlichen Inhalte des Positionspapiers wie folgt zusammen:
Reformbedarf in der beruflichen Bildung in 10 Punkten
1. Die sich rasant wandelnden Qualifikationsanforderungen führen zu den bekannten Diskrepanzen zwischen Ausbildungs- und Beschäftigungssystem. Die Halbwertszeit von Innovationen und Dienstleistungen werden immer kürzer. Für alle Ausbildungsbereiche ist mehr Grundlagenbildung und weniger Spezialisierung das Gebot der Zukunft. Im Zentrum der KMK-Vorstellungen steht die Schaffung von Basisberufen, die ein breites berufliches Orientierungswissen sowie Schlüsselqualifikationen vermitteln und das Prinzip des lebensbegleitenden Lernens fördern. Zwei Drittel der Ausbildungszeit sollen wie bisher bundeseinheitlich geregelt werden. Das restliche Drittel der Ausbildung ist dann inhaltlich regional zwischen den Partnern der dualen Berufsausbildung verbindlich abzustimmen.
Dies wird bedeuten: Es gibt eine berufliche "Grundbildung", die in den Regionen durch einen speziellen Bedarf ergänzt wird.
2. Für eine Erwerbstätigkeit im Umfeld der Informations- und Telekommunikationstechnik hat das Verhältnis von ganzheitlicher Berufsausbildung und hochspezialisierten Fachkompetenzen eine besondere Bedeutung. Innerbetrieblich bisher getrennte Tätigkeiten werden auftragsorientiert zusammengefasst. Der Auszubildende muss Qualifikationen erwerben, die sich nicht nur auf Teilbereiche beziehen, sondern auf ganzheitliche Arbeits- und Geschäftsprozesse.
Für die Ausbildung bedeutet dies ein Wandel vom funktionsorientierten Wissensbezug zum prozessorientierten Handlungsbezug.
3. An Berufsfeldern als Ordnungsprinzip für die Berufsausbildung wird festgehalten. Bestehende Berufsfelder müssen aktualisiert und ggf. neu zugeschnitten werden. Neue Ausbildungsberufe sind allerdings nur dann zu entwickeln, wenn sie eine hinreichend große Zahl von Ausbildungsplätzen garantieren und zukunftsfähig sind. Die Entwicklung von Splitterberufen ist auszuschließen.
4. Ausbildung in Verbünden soll die Reserven "betrieblicher Berufsausbildung" mobilisieren.
Eine Förderung von Verbundlösungen muss daher Lernorte wie Betriebe, die bisher nicht ausgebildet haben, überbetriebliche und außerbetriebliche Ausbildungsstätten, sowie Berufsschulen einschließen.
5. Ausbildungsordnungen und Rahmenlehrpläne der Berufsschulen sind noch stärker aufeinander zu beziehen. Zwischen dem Erlass einer neuen Ausbildungsordnung und dem Beginn der Berufsausbildung soll mindestens ein Zeitraum von einem Jahr liegen.
6. Berufsschulen sind flexible Systeme, die die unterrichtliche Organisation regional verantwortlich im Dialog mit den Ausbildungsbetrieben festlegen. Sie garantieren eine gleichbleibende Qualität der Berufsabschlüsse und eine Vertiefung der Allgemeinbildung.
7. Es sind Wahl- und Wahlpflichtbausteine zu entwickeln, die sinnvolle individuelle Ergänzungsmöglichkeiten bieten und regionale Schwerpunktbildungen ermöglichen.
8. Es ist die Möglichkeit für Berufsschüler zum Erwerb der Fachhochschulreife in Verbindung mit einer erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildung zu schaffen, um die Zukunftschancen für die Auszubildenden zu verbessern.
9. Bei der Lehrerzuweisung muss berücksichtigt werden, dass moderne, handlungsorientierte Unterrichtskonzepte zeitweise ebenso kleinere Lerngruppen erfordern wie computergestützter Unterricht.
10. Außer der Abschlussprüfung zur Erlangung der Berufsqualifikation soll eine Zertifizierung von Teilqualifikationen in einem lebensbegleitenden Qualifizierungspass erfolgen.
Handlungslinien für eine sozialdemokratische Landespolitik
1. Berufsschulen müssen als regionale Kompetenzzentren für die berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung organisiert werden
2. Soziale Dienste müssen ressort- und schulformübergreifend zur Förderung benachteiligter Jugendlicher vernetzt werden
Vor diesem Hintergrund ist erforderlich:
1. In den Regionen müssen abgestimmte Konzepte der Jugendberufshilfe erarbeitet werden, die auch die vollzeit- und teilzeitschulischen Maßnahmen mit erfassen.
2. Die Schulen müssen sich den neuen Herausforderungen durch die Zunahme von vielen Schüler/innen mit individuellen Beeinträchtigungen und/oder sozialen Benachteiligungen stellen.
3. Arbeitsverwaltung, Land, Kommunen und freie Träger müssen- über die bestehenden Zuständigkeitsgrenzen hinaus – fachlich wie finanziell bei der Entwicklung und Umsetzung eines Konzepts von Schulsozialarbeit zusammenwirken.
4. Es sollte die Einrichtung einer Fachstelle beim Land bzw. eines Landesinstituts überlegt werden, wo verbindlich die Arbeit der Berufsberatung, der Ausbildungsberatungen bei den Kammern, der Jugendhilfe und der beruflichen Schulen koordiniert wird, damit hier ein erster Grundstein für eine Berufsbiografieplanung gelegt werden kann.
Vollschulische Schulformen/Bildungsgänge müssen modernisiert werden
Die wirtschaftliche Entwicklung, das weitere Vordringen der Informations- und Telekommunikationstechnik, dezentrale Organisationsstrukturen, Prinzipien wie die Kunden- und Geschäftsprozessorientierung verändern nicht nur die Ausgestaltung des Berufskonzepts. Diese Faktoren wirken sich mittelfristig auch auf die Struktur und Inhalte von Curricula für Vollzeitschulformen aus.
Für sämtliche vollschulischen Schulformen/Bildungsgänge sollte je eine Rahmenplanung des Landes in Form eines Landesschulplanes mit entsprechenden Kriterien für die Standortsicherung erarbeitet werden, auf den die Schulträger ihre jeweilige sozialräumliche Schulentwicklungsplanung gründen können.
Schritte zu einem eigenverantwortlichern Schulmanagement
Die Qualität der Schule wird wesentlich von der effektiven Gestaltung ihrer fachlichen, pädagogischen und organisatorischen Aufgaben bestimmt.
Das Schulmanagement ist effektiv zu gestalten. Ein Verwaltungsleiter soll den jetzigen stellvertretenden Schulleiter ersetzen und für die Kontinuität in der Schulverwaltung sorgen. Er wird dabei unterstützt von Sachbearbeitern/innen (z. Zt. Sekretärinnen), die entsprechend bezahlt werden.
Der Schulleiter wird auf Zeit eingesetzt (6 – 7 Jahre mit der Möglichkeit zur Verlängerung). Die funktionsbezogene Besoldung erfolgt in Form einer ruhegehaltsfähigen Zulage. Der Schulleiter ist für die pädagogische Arbeit verantwortlich.
Zur Erfüllung ihres Erziehungs- und Bildungsauftrages braucht die Schule die Verantwortung für den zweckentsprechenden Einsatz ihrer Ressourcen.
Referendarausbildung muss weiterentwickelt werden
Für den Bereich der 2. Phase der Lehrerausbildung bestehen Entwicklungsnotwendigkeiten. Dies betrifft die Abstimmung mit den Inhalten der 1. Phase. In der 1. Phase sollte ein Schulpraktikum installiert werden, das zwischen der Ersten Phase und Ausbildungsschulen verbindlich vereinbart wird, um eine Kooperation mit den Schulen zu erreichen.
Die Studienseminare müssen sich konzeptionell von einem Lehr- und Lernbetrieb hin zu einer Studienstätte entwickeln, deren wesentliches Ziel die Vorbereitung auf die Übernahme von Verantwortung für eigenes berufliches Handeln ist.
Die Arbeit des Hessischen Landesinstituts für Pädagogik als Unterstützungssystem muss gestärkt werden
Die Mittel für die regionale und zentrale Lehrerfortbildung dürfen nicht gekürzt werden, damit das qualitativ hohe Wissensniveau der Lehrkräfte erhalten bleibt und auf Neuerungen kompetent vorbereitet werden kann.
Angesichts des bevorstehenden berufsfeldspezifischen Lehrermangels ist ein Sonderprogramm zur Ausbildung von Lehramtsanwärtern für berufliche Schulen zu entwickeln.