(Es gilt das gesprochene Wort)
Die Atomdiskussion in Deutschland, aber auch hier im Hause, hat oft gespenstische Züge. Kernenergie als die große Zukunftsoption – wie eben von Minister Dietzel dargestellt – würde einen geschlossenen Kernbrennstoffkreislauf und die Erprobung neuer Reaktorkonzepte voraussetzen.
Wer hat denn eigentlich diese Optionen fallen lassen? War es nicht die CDU/CSU-Politik der Jahre nach 1982 oder die Atomwirtschaft? Konkret, wer hat den Schnellen Brüter eingestellt? Wer hat den Hochtemperaturreaktor stillgelegt? Warum wurde die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf eingestellt? Warum ist seit 20 Jahren kein neues Atomkraftwerk bestellt worden? Aus welcher Zeit stammen 55 Auflagen zum Atomkraftwerk Biblis, weil dieses nicht mehr den Sicherheitsanforderungen entspricht? Wer hat das Genehmigungsverfahren zu Block Biblis C zurückgenommen? Warum beantragt niemand ein neues Atomkraftwerk z.B. in Baden-Württemberg oder Bayern?
Diese Fragen machen doch deutlich, mit welcher Unredlichkeit die Atomwirtschaft, aber auch Sie, meine Damen und Herren von der CDU, als Bauchredner der Atomlobby über die Zukunft der Atomenergie schwadronieren.
Und meine Damen und Herren, was mich immer wieder so fasziniert an Ihrer Atomgläubigkeit ist auch, dass Sie selbst nach dem SuperGAU von Tschernobyl – bei dem alles Schlimme eingetreten ist, vor dem Atomkritiker immer gewarnt haben – unbeirrt weiter – heute mit einer Regierungserklärung – über die Zukunft der Atomenergie reden.
Deutsche Kraftwerke sind sicherer, davon gehe ich auch aus. Aber ein Restrisiko, das wissen Sie, kann nicht ausgeschlossen werden, das heißt, auch bei bundesdeutschen Atomkraftwerken ist ein Unfall möglich, auch wenn seine Wahrscheinlichkeit sehr gering ist. Die Folgen eines Unfalls in Biblis wären unermesslich, in der Region und weit darüber wären die Menschen gesundheitlich am Ende, die Rhein-Main-Neckar-Region wäre wirtschaftlich für viele Jahrzehnte tot.
Wir sind nicht bereit, dieses Restrisiko der hessischen Bevölkerung zuzumuten, wir sind nicht bereit, der jetzigen und zukünftigen Generationen dieses Risiko des laufenden Betriebs zuzumuten. Aber wir sind auch nicht bereit, den künftigen Generationen das Risiko zuzumuten, das mit der ungelösten Entsorgungsfrage verbunden ist.
Meine Damen und Herren, die SPD setzt darauf und erhofft sich sehr, dass nach fast 30jähriger Auseinandersetzung über die Atomenergie jetzt endlich ein Konsens in sicherlich nicht einfachen Verhandlungen gefunden wird .
Wie man hört, gibt es aber 3 Landesregierungen, die diesen Konsens zerstören wollen: Stoiber und Koch lassen sich mit dem Teufel dazu ein. Ein solcher Konsens ist aber notwendig, nicht nur um einen geordneten Ausstieg zu vollziehen, sondern auch einen geordneten Einstieg – nämlich ein Einstieg in sichere und erneuerbare Energien.
Für die Sozialdemokratie bleibt es dabei, der Betrieb von Atomkraftwerken kann nur noch für eine Übergangszeit verantwortet werden. Die Mehrheit der Bevölkerung will eine sichere Energieversorgung ohne Atomkraft. Bei der Bundestagswahl hat diese Frage eine zentrale Rolle gespielt – die Bundesregierung hat allemal die politische Legitimation den versprochenen Weg zu gehen. Es wäre auch falsch, das Risiko der Atomenergie durch die Hinnahme der realen Gefahr von Klimaveränderungen weiter zu akzeptieren. Der Ausweg aus Tschernobyl und Klimakatastrophe ist die Neuordnung der Energiepolitik, die auf Energiedienstleistungen ausgerichtet ist und die Zukunftsmärkte der Effizienz und Solartechnologien beschleunigt erschließt.
An einem geordneten Ausstieg aus der Atomenergie geht kein Weg vorbei. Für den Standort Biblis heißt dies nach unserer Ansicht, dass das älteste und am wenigsten sichere Atomkraftwerk in Deutschland (nämlich Biblis A) möglichst rasch vom Netz muss. Der Zeitraum, bis zu dem dann auch Block B vom Netz genommen wird, muss genutzt werden, am Standort Biblis bzw. in der Region den Aufbau von dezentralen und regenerativen Energien voranzutreiben. Dies schafft Arbeitsplätze und hält die Wertschöpfung in der Region.
Wenn der Ausstieg in Sicht ist, sind wir auch bereit, eine Zwischenlagerung von abgebrannten Brennelementen am Standort Biblis zu akzeptieren. Dazu treten wir im Gegensatz zur CDU ein, weil wir eine verantwortungsvolle Politik betreiben.