"Nachdem diese Landesregierung durch eine in der Geschichte unseres Landes beispiellose Schmutzkampagne ins Amt gekommen ist, sprachen die offiziellen Verlautbarungen nur noch von der wichtigen Aufgabe der Integration. "Integrationspolitik ist eines der zentralen Politikfelder in Hessen" kann man in den Koalitionsvereinbarungen nachlesen. Vorangegangen war ein Wahlkampf gegen die Erleichterung der Einbürgerung, der bewusst in Kauf nahm, ausländerfeindliche Stimmungen zu verstärken, ein Wahlkampf, der statt Integration Ausgrenzung propagierte. Deshalb fällt es schwer, den Lippenbekenntnissen zur Integration Glauben zu schenken.
Und Ihre Taten, meine Damen und Herren der Koalition, sprechen vom Gegenteil. "§8a Abs.3 wird aufgehoben und der bisherige Absatz 4 wird Absatz 3". So lautet die Änderung des Schulgesetzes, die mit einem Federstrich den Unterricht in der Herkunftssprache als Aufgabe der Schulen abschaffte.
Die ursprüngliche Zielsetzung des muttersprachlichen Unterrichts habe an Bedeutung verloren, so Kultusministerin Wolff. Die Intention, Kinder ausländischer Herkunft durch den Unterricht in ihrer Herkunftssprache auf eine Rückkehr in ihre Heimat vorzubereiten, entspreche nicht mehr der gesellschaftlichen Realität. Recht haben Sie, Frau Ministerin! Sie kommen nur mit ihrer Aussage 18 Jahre zu spät.
Schon 1982 hat Hessen diese gesellschaftliche Entwicklung in die Konzeption des Unterrichts in der Herkunftssprache einbezogen. Der Muttersprachliche Unterricht – so hieß er damals noch – soll die Schüler und Schülerinnen unter anderem dazu befähigen, (Zitat) "die Zweisprachigkeit als Chance und Bereicherung zu erfahren und als Beitrag zur internationalen Verständigung zu nutzen." Und weiter heißt es: "Der muttersprachliche Unterricht hilft Schülerinnen und Schülern, die eigene kulturelle Situation zu verstehen, er soll insbesondere die Beziehung zwischen den Generationen in den Familien fördern und erhalten." Hessen hat bereits damals die Rückkehrorientierung zugunsten einer zukunftsweisenden und integrativen Perspektive aufgegeben. Und diese integrative Perspektive des Unterrichts in der Herkunftssprache haben Sie mit einem Federstrich aus dem Schulgesetz entfernt. (…)
Folgen der Aufhebung des Paragraphen sind eine wachsende Unsicherheit der betroffenen Eltern und Lehrkräfte. Um den herkunftssprachlichen Lehrkräften weitere Qualifikationen zu vermitteln verweisen Sie auf Programme, die bereits unter Hartmut Holzapfel begonnen wurden und von der EU gefördert werden. Darüber hinaus hat sich offensichtlich im Kultusministerium seit einem Jahr nichts getan. Neue Programme und Planungen zur Qualifizierung der Lehrkräfte wurden bisher nicht entwickelt. Für die betroffenen Lehrkräfte ergibt sich daraus ein unbefriedigender Zustand der Ungewissheit über ihre berufliche Zukunft.
Schüler und Schülerinnen nicht-deutscher Herkunft müssen Deutsch lernen, damit sie sich integrieren können. Das die Hauptaussage in der Antwort auf unsere Große Anfrage. Das ist unbestreitbar richtig. Aber die Absicht, mehr Deutschunterricht fördern zu wollen, wurde bis heute nicht eingelöst. Zu den "konkreten Überlegungen", die in der Antwort auf unsere Große Anfrage erwähnt werden, gibt es zumindest bisher keine Belege, wenn man von einigen vagen Aussagen im jetzt vorgelegten sogenannten Integrationskonzept der Landesregierung absieht. (…)
Die Beherrschung der Herkunftssprache hat außerdem noch eine viel weitergehende Bedeutung. "Für zweisprachige Schülerinnen und Schüler trägt die Muttersprachenkompetenz in erheblichem Maße zur Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung bei." Das ist nicht von mir, sondern ein Zitat aus der Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur "Interkulturellen Bildung und Erziehung in der Schule" vom Oktober 1996. Gefordert wird an gleicher Stelle "die Einbindung in die reguläre Schulzeit und die Möglichkeit der Teilnahme auch für andere Schülerinnen und Schüler. Ziel muss es auch sein, die Mehrsprachigkeit zu erhalten bzw. zu schaffen." Diese hessische Regierung geht mit ihren Vorhaben weit hinter diese Aufgabenstallung zurück.
Frau Ministerin, bezugnehmend auf die neuen Versetzungsrichtlinien aus Ihrem Haus will ich Ihnen mit auf den Weg geben: Sie haben Integrationspolitik zum Hauptfach erklärt, aber Ihre Leistungen sind ungenügend. Das heißt zukünftig: nicht versetzt. Und ich bin überzeugt, dass die Wähler und Wählerinnen in absehbarer Zeit bei Neuwahlen Gelegenheit haben werden, Ihnen diese Nichtversetzung auch zu attestieren."